Ein tolles Design, eine spektakuläre Landschaft, Bilder, die um die Welt gehen und beste Werbung für das Engadin machen: Die «On Mountain Hut» ist zu einem grossartigen Marketing-Instrument geworden. Zum einen für die Region, zum anderen aber auch für die Firma selber. Diese versteht es, mit geschicktem Storytelling über den Ursprung der Marke On zusätzlich Emotionen zu wecken. Gut gemacht. Wenn dann noch dargelegt werden kann, dass dort, wo jetzt die Hütte steht, in zwei Monaten nichts mehr zu sehen ist, gibt es eigentlich kaum Gründe, gegen dieses Projekt zu sein. Und trotzdem ist Vorsicht geboten. Jede zusätzliche «Möblierung» der Berglandschaft ist im Grundsatz kritisch zu beurteilen und verlangt zwingend, die Sinnfrage zu stellen. Was macht es für einen Sinn, menschengemachte Inszenierung zu bieten, wo doch die Landschaft dort oben so viel Kraft und Ruhe ausstrahlt? Die Umgebung des Lägh dal Lunghin ist tatsächlich ein spezieller Ort. Die Wasserscheide von drei Flusssystemen, die kargen Berge, der tiefblaue See: Jeder Versuch, dort etwas ins Szene zu setzen, muss scheitern. Die Landschaft alleine ist Inszenierung genug. Eine Hütte an diesem Ort mag für die Werbung, die explizit auf Emotionen setzt, gut sein. Rational betrachtet, macht sie keinen Sinn. Man muss dort nicht übernachten, um in den Genuss eines fantastischen Naturerlebnisses zu kommen. Den Projektinitianten ist zugute zu halten, dass sie sich durchaus bewusst sind, in welch sensibler Umgebung sie sich bewegen. Und auch die Gemeinde Bregaglia hat ihre Bewilligung an klare Bedingungen geknüpft. Die Behörde muss allerdings wissen, dass solche Aktionen Begehrlichkeiten wecken könnten. Was, wenn nächstes Jahr ein Bankinstitut mit einer ähnlichen Idee anklopft? Ein ehemaliger Gemeindepräsident hat es einmal richtig gesagt: Auch im Engadin gibt es «Industriezonen», und auf diese Orte sollte sich die menschengemachte Nutzung konzentrieren. Er hat damit vor allem die Skigebiete gemeint. Begrifflich etwas weiter gefasst, können alle Gebiete dazugezählt werden, die heute schon mit Transportanlagen, Restaurants oder Hotels erschlossen sind. Hätte die «On Mountain Hut» zum Beispiel nicht auch auf Muottas Muragl stehen können? Bei einer nächsten Anfrage sollte dieser Gedanke zumindest mitberücksichtigt werden.

Autor: Reto Stifel

Foto: On/Anne Lutz & Thomas Stöckli

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