Gestatten Sie, dass ich mich kurz vorstelle? Mein Name ist Rana temporaria oder ganz einfach Grasfrosch. Wie ich zu dem Namen gekommen bin, ist mir nicht ganz klar, denn ich lebe noch nicht einmal inmitten dieser Gräser, geschweige denn, dass ich sie esse, und rauchen tue ich das Zeug auch nicht. Und offenbar gelte ich als Feigling – nur so kann ich mir die Redewendung: «Sei kein Frosch, trau dich was!» erklären. Diese soll sich von daher ableiten, dass ich mich bei drohender Gefahr schnell auch verdünnisiere. Aber was würden Sie an meiner Stelle tun, wenn ein riesiger Reiher mit seinem dolchartigen Schnabel zum Duell bittet? Für mich ist das eine kaum zu gewinnende Herausforderung, und ich bringe mich in dieser Situation mit ein, zwei kräftigen Stössen meiner strammen Hinterbeine in Sicherheit. Meinen muskulösen Haxen wegen habe ich in Frankreich eine grosse Fangemeinde. Falls Sie jetzt einen, ähm ... Kloss im Hals verspüren sollten – ich bin das nicht. Wir heissen nur gleich. Das ist eine Speicheldrüse unter ihrer Zunge. Die Ranula, «der kleine Frosch» ist das. Wir Grasfrösche sind übrigens keine Warmduscher – wir mögen es eher kühl. Eis und Schnee machen uns nichts aus. Auch dünne Luft können wir gut ab. Kumpels von mir leben in Höhen von bis zu 2700 Metern. Apropos Höhe: In den letzten Tagen konnte man mich im Engadin an Tümpeln und anderen Gewässern gut beobachten. Da hab ich mich mit meiner bezaubernden Prinzessin um unseren Nachwuchs gekümmert. Nicht dass ich zum Nachwuchs eine besondere Beziehung hätte – dafür sind es einfach zu viele. Meine Partnerin und ich setzen nämlich pro Jahr mehrere tausend kleine Frösche in die Welt. Dass es darüber keine Redewendung gibt, überrascht mich etwas ... Dafür hat der Goethe, der berühmte Johann Wolfgang, über uns gedichtet: «Nicht überall, wo Wasser ist, sind Frösche; aber wo man Frösche hört, ist Wasser». (dz)