Errichtet wurde der Theaterturm auf dem Julierpass als Provisorium. Er hätte gemäss der mit dem Amt für Raumentwicklung Graubünden ausgehandelten Vereinbarung und der im BaB-Verfahren erteilten Bewilligung noch im Verlauf von diesem Jahr rückgebaut werden sollen.

Fristverlängerung bis 2023
Doch an Rückbau denkt Intendant Giovanni Netzer und die Nova Fundaziun Origen derzeit nicht. Vielmehr wurde vor gut einer Woche bei der Gemeinde Surses und beim Bündner ARE ein Gesuch um Verlängerung der Standzeit für den Roten Turm eingereicht. Nicht um ein Jahr, sondern gleich um gut zweieinhalb Jahre, bis zum 31. August 2023. Begründet wird dieses Begehren mit mehreren Argumenten, wie der Medienmitteilung vom 27. März zu entnehmen ist. Erstens sei die auf dreieinhalb Jahre (August 2017 bis Dezember 2020) ausgelegte Spielzeit zu pessimistisch kalkuliert gewesen: «Wir sind davon ausgegangen, dass das Interesse an der Spielstätte nach drei Jahren nachlassen würde. Das Gegenteil ist eingetreten, wir haben die Anzahl der Vorstellungen in den letzten Jahren verdoppelt. Für Künstler aus ganz Europa ist der Julierpass zum Symbol für kreative Freiheit in grossartiger Natur geworden.» Mit anderen Worten: Origen ist mit dem markanten Julierturm gleichsam Opfer seines Erfolgs geworden. Sollte der Rückbau diesen Herbst erfolgen müssen, fehlte dem Festival Cultural ein ganzjährig bespielbares Haus, die Theaterproduktion müsste um die Hälfte zurückgefahren werden. «Der Schaden wäre gross, für Origen und die gesamte Region», sagt Netzer. Eine potenzialarme Region, in der sich Origen auch als Wertschöpfung generierender Motor für einen sanften Kulturtourismus etabliert hat, der über die Landesgrenzen hinaus strahlt und die besten Tanztruppen und Choreographen Europas anzieht.

Existenzbedrohende Corona-Krise 
Doch dieser Motor ist wegen der Corona-Krise ins Stottern geraten. Diesen Winter mussten gleich acht ausverkaufte Vorstellungen im Roten Turm abgesagt werden, und wenn die Sommerspielzeit mit zehn geplanten Uraufführungen wegen des Versammlungsverbots nicht durchgeführt werden kann, hätte das fatale Folgen für Origen. «Die einzige Option, den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten und den beteiligten Mitarbeitern und Künstlern ihr existenziellen Einkünfte halbwegs zu sichern, ist eine Verschiebung des gesamten Sommerspielplans auf das kommende Jahr 2021. Dafür brauchen wir aber den Turm», begründet Giovanni Netzer.

Alternative Standortsuche läuft 
Eine Fristverlängerung um ein Jahr ist das eine, doch die Stiftung Nova Fundaziun Origen hat um eine Standverlängerung für den Roten Turm um gleich drei Jahre ersucht. Weshalb? Weil die Kulturorganisation noch Zeit für die Erstellung und Nutzung alternativer Kulturräume braucht , welche den Wegfall des Julierturms kompensieren können. Das sei erst 2023 der Fall. Spätestens dann werde auch die natürliche Haltbarkeit des Turms als temporär konzipierte Baute ablaufen. Der Turm soll nach dieser Überbrückungszeit und gemäss vertraglichen Abmachungen rückgebaut werden. Zudem wurde die vollständige Renaturierung des ganzen Geländes mit den Behörden vereinbart.

Text: Marie-Claire Jur/pd, Foto: Origen/Benjamin Hofer Productions