Wachsende Pendenzenberge, interne Querelen und Vertrauensverlust nach Aussen, Justizskandal, das sind und waren nur einige der Wirren rund um das Kantonsgericht Graubünden, welche in letzter Zeit für negative Schlagzeilen gesorgt haben*.
Am Donnerstag hat der Grosse Rat als Wahlbehörde von Kantons- und Verwaltungsgericht die personelle Zusammensetzung für die nächste Amtszeit 2021 bis 2024 neu bestimmt. Für den umstrittenen und nicht mehr zur Wiederwahl angetretenen Kantonsrichter und bisherigen Präsidenten des Kantonsgerichts, Norbert Brunner, wählte das Parlament den 48-jährigen CVP-Grossrat und CVP-Fraktionspräsidenten Remo Cavegn mit 112 Stimmen neu ins Kantonsgericht und zu dessen neuem Präsidenten.
Mit lediglich 54 Stimmen wurde die amtierende Vizepräsidentin, Ursula Michael Dürst, zwar in ihrer Funktion bestätigt, aber ganz offenkundig auch für die Eingangs erwähnten Querelen am Gericht abgestraft. Ebenso ihre drei bisherigen Richterkollegen, welche in den zweiten Wahlgang mussten. Dort wurden Micha Nydegger mit 70 Stimmen und Fridolin Hubert mit 64 Stimmen in ihrer Funktion bestätigt und wiedergewählt. Mit 24 Stimmen schied aber der bisherige und ebenfalls umstrittene Kantonsrichter Peter Schnyder als überzähliger Kandidat aus.
Demgegenüber erzielten die neu zur Wahl angetretenen Kandidaten Glanzresultate: Alexander Moses mit 106 und Christof Bergamin mit 96 Stimmen. «Die schlechten Resultate der Bisherigen und die guten Resultate der Neuen sind ein klares Zeichen an das Richtergremium», sagte beispielsweise der Unterengadiner BDP-Grossrat Men-Duri Ellemunter gegenüber der EP/PL. Der Oberengadiner SVP-Grossrat und Mitglied der Kommission für Justiz und Sicherheit KJS, Mario Salis, bestätigte Ellemunters Einschätzung und ergänzte: «Der Rat folgte der Empfehlung der KJS auf Nichtwiederwahl von Richter Peter Schnyder.» Das Resultat sei aus Sicht der KJS «deshalb richtig und gut», so Salis.
Vom neu zusammengesetzten Gremium mit drei bisherigen und drei neuen Richterinnen und Richtern erwartet Salis nun eine Beruhigung und einen geordneten Verlauf innerhalb des Gerichts. Er ist auch überzeugt, mit Remo Cavegn einen «guten Mann an der Spitze des Gerichts zu haben, der die gewünschte Ruhe nun auch einbringen kann». Dies nicht zuletzt auch, um das Vertrauen in die Justiz wiederherstellen und gewährleisten zu können. Noch offen ist der Entscheid, ob der amtierende Präsident Norbert Brunner nach dem klaren Verdikt des Parlaments seinen Vorsitz bis Ende Jahr beibehält oder vorzeitig von diesem zurücktritt. Mitte September trifft sich die KJS zu einer nächsten Sitzung. Mario Salis hofft, dass die Frage bis dahin geklärt sein wird.

Verwaltungsgericht weiter wie bisher
Unumstritten war hingegen die Wahl des Richtergremiums beim Verwaltungsgericht Graubünden. Der Davoser Urs Meisser wurde mit 98 Stimmen im Amt bestätigt und als Präsident wiedergewählt. Mit 109 Stimmen wurde auch der bisherige Vizepräsident Thomas Audétat bestätigt. Gleiches gilt für die bisherigen Richterinnen und Richter. Elisabeth von Salis wurde mit 105 Stimmen, Ramona Pedretti mit deren 100 und Giuliano Racioppi mit 96 Stimmen wiedergewählt.
In einem zweiten Wahlgang wurden zudem die Oberengadiner SP-Grossrätin Franziska Preisig mit 87 Stimmen und alt-Grossrat Beat Deplazes mit 75 Stimmen in den Konsultativrat der Rhätischen Bahn gewählt. 

*Die «Engadiner Post/Posta Ladina» hat am 4. und 18. Juni umfassend über die Wirren am Bündner Kantonsgericht berichtet.

Autor und Foto: Jon Duschletta