Sein Arm und sein Handgelenk bilden beim Pressen eine Linie, der Druck kommt aus dem Oberarm. Das Wasser verteilt sich gleichmässig auf das perfekt gepresste Kaffeepulver. Er schaut auf seine Sportuhr und zählt genau die Sekunden. Entscheidend sind der Mahlgrad, die Wassertemperatur und die Zeit, in welcher das Wasser durch das Kaffepulver fliesst. Das Wasser darf nicht über 100 Grad haben. Das Kaffeearoma verteilt sich im gesamten Raum. Arno Galmarini outet sich als Barista-Spezialist. Mit einem perfekten Milchschaum formt er ein Herz in der Kaffeetasse und serviert den aromatischen Cappuccino. Beeindruckt von der Barista-Philosophie legt er grossen Wert auf die Details.
Sinnbildlich steht diese Vorliebe auch für seine Lebensphilosophie. Mit der gleichen Liebe für Details hat Galmarini auch sein Gym in Scuol eingerichtet. Der Seifenspender in der Garderobe gehört zum Konzept wie die schwarzen Hanteln im Sportbereich und das gesamte individuelle Angebot für jedermann. Arno Galmarini hat im Bogn Engiadina in Scuol nicht nur ein neues Gym realisiert, sondern eine neue Marke für seinen Lebensstil aufgebaut: Origym steht nämlich für originell, einzigartig, ursprünglich und fürs Engadin.

Wettkampfsportler und Model
Arno Galmarini ist mit 14 Jahren mit der gesamten Familie von Herisau nach Ardez gezogen. In der Sportklasse des Hochalpinen Instituts Ftan entwickelte er sich als Alpin-Snowboarder zum Wettkampfsportler. Seine Snowboard-Karriere ging irgendwann zu Ende, die Leidenschaft fürs Training und die eigene Fitness blieb. Er versuchte sich als Model und lernte viele Leute kennen. Seine Fitness überzeugte, und mit einem Rucksack voller Trainingsweisheiten und Tipps aus eigenen Erfahrungen wurde er zum Personaltrainer für fitnessbewusste Leute. «Meine erste Kundin war ein Model von der ersten Staffel Germany’s Next Topmodel», verrät Galmarini.
Und dann war da noch der jüngere Bruder Nevin, der mit grossen Plänen als Alpin-Snowboarder durchstarten wollte. Auf Diskussionen, ob Nevin Galmarini einen Teil des Erfolges ihm zu verdanken habe und wer wen gepusht hat, will sich Arno Galmarini nicht einlassen. Dazu ist er zu bescheiden. Eine Tatsache ist jedoch, dass dem Olympiasieger Nevin Galmarini im athletischen und Fitnessbereich bereits früh kein Alpin-Snowboarder das Wasser reichen konnte. Auch andere Spitzensportler wurden auf die Trainingsleidenschaft und Erfolge der Galmarini-Brüder aufmerksam, und bald betreute Arno Galmarini mit seiner Firma Elite Training in Zürich Spitzensportler aus den verschiedensten Bereichen. Sogar Mannschaften wie die ZSC Lions und die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft setzten auf das Wissen des Unterengadiners.

Entscheid für die Work-Life-Balance
Die Betreuung der Spitzensportlerinnen und -sportler war sehr intensiv und kräfteraubend. Die Balance zwischen Beruf und Privatleben war alles andere als ausgewogen. «Ich suchte immer häufiger den Ausgleich und fand die Liebe zum Mountainbike», sagt der Sportbegeisterte. Und wo kann man schöner mountainbiken als im Engadin? Also kehrten er und seine damalige Lebenspartnerin und heutige Ehefrau immer häufiger am Wochenende zurück ins Engadin, um die Natur zu geniessen. Irgendwann kam der Wunsch auf, nicht nur am Wochenende zurückzukehren, sondern überhaupt den Lebensmittelpunkt ins Unterengadin zu verlegen. «Diese Idee hatten wir bereits vor vier Jahren, und wir suchten nach Möglichkeiten, um zurückzukommen.» Die Chance dazu kam, als der Mietvertrag von Elite Training in Zürich auslief und das Bogn Engiadina in Scuol einen Nachfolger für das Fitnesscenter suchte. «Uns war klar, dass wir in Scuol ein anderes Konzept als in Zürich benötigen», so Galmarini.

An alle Bedürfnisse angepasst
Das neue Angebot richtet sich an alle, und nicht nur an Spitzensportlern. Der Spass, die Atmosphäre und die Zugehörigkeit stehen im Zentrum. Hightech-Fitnessmaschinen sucht man vergebens. Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit, Balance und Koordination im Sinne der Functional-Fitness-Philosophie (wie z. B. Crossfit, HIIT, Weightlifting, Yoga, etc.) stehen im Vordergrund und bilden einen eigenen Trainingsstil. Die Einrichtung ist hochmodern und individuell. «So können wir auf alle Bedürfnisse von Einzelsportlern und Gruppen eingehen», erklärt Arno Galmarini. In Scuol hatte er freie Hand und konnte sein perfektes Gym einrichten. «Das Angebot ist einzigartig», freut sich der Inhaber von Origym, und er ist überzeugt, dass sein Geschäftsfeld neue Gäste nach Scuol bringen wird und davon auch die touristische Branche profitieren kann.
Trotz Covid-19 ist Galmarini von einer erfolgreichen Zukunft überzeugt. «Die ersten Erfahrungen und Rückmeldungen stimmen mich zuversichtlich», so Galmarini. Die Work-Life-Balance verliert er aber nicht aus den Augen. «Hier bin ich sofort in der Natur und kann zwischendurch oder nach der Arbeit noch rasch eine Mountainbiketour machen.» Er und seine Ehefrau konnten die eigene Lebensqualität nach der Rückkehr ins Engadin steigern. «Diesen Entscheid haben wir noch nie bereut», sagt er. Auch sein Freundeskreis – darunter zahlreiche Heimweh-Engadiner – liess sich von seinem Mut und seiner Begeisterung anstecken. «Einige Freunde und Bekannte sind in letzter Zeit zurück ins Engadin und haben hier eine neue Herausforderung gefunden», sagt er mit Freude und löffelt den letzten Milchschaum aus der Tasse. Sein Gesichtsausdruck verrät, dass er sich im Engadin wohlfühlt und seine Balance im Gleichgewicht steht.

Text: Nicolo Bass