Pro: Jon Duschletta
Die Schweiz muss ein Zeichen setzen
Ich mache mir wenig Hoffnung, dass die Konzernverantwortungsinitative, wenn sie denn angenommen wird, die Welt verändern wird. Und schon gar nicht wird sie Grossunternehmen, die es mit Menschen- und Arbeitsrechten nicht so genau nehmen und Umweltregeln der Gewinnmaximierung opfern, viel anhaben können. Trotzdem stelle ich mich auf den Standpunkt, dass gleiches Recht für alle gelten soll und – ebenso logisch und vernünftig – haften soll, wer Schaden verursacht.
Wer glaubt, dass solche Unternehmen einer Schweizer Volksinitiative wegen ihre Strategie ändern, Arbeitsbedingungen verbessern, ihren Angestellten in Nähereien, Call-Centern oder Versandlagern plötzlich gerechte Löhne zahlen, freiwillig auf umweltzerstörende Prozesse verzichten oder an ihren Standorten freimütig angemessene Steuern bezahlen, glaubt vielleicht besser an den Weihnachtsmann.
Wer, wenn nicht die Schweiz, darf, ja muss sich gerade deshalb das Recht ausnehmen, hier ein Zeichen zu setzen und mehr Gerechtigkeit einfordern? Eine Gerechtigkeit, die langfristig all jene stärken wird, welche vorbildlich und verantwortungsbewusst geschäften, die nachhaltige und nachhaltig produzierte Güter und Dienstleistungen anbieten und in ihrem Handeln Menschenrechte und Umweltstandards einhalten. Alle Unternehmen, welchen das Wohl ihrer Kunden nicht nur auf dem Papier wichtig ist, müssen meiner Meinung nach die Initiative nicht fürchten. Ebenso Unternehmen, welche die geforderten Sorgfaltspflichten ernst nehmen und erfüllen. Und allen anderen schadet ein Wink mit dem Zaunpfahl nicht.
Das Problem sind aber nicht die Grosskonzerne alleine. Auch wir tragen als Konsumentinnen und Konsumenten einen nicht unwesentlichen Teil der Verantwortung. Solange wir nämlich deren Spiel des steten Konsums – ob freiwillig oder nicht – mitspielen, ich denke hier beispielsweise an die überbordende Marktmacht internationaler Online-Händler oder die erzwungene Abhängigkeit von Millionen Bauern von einer Handvoll Agrarkonzernen, solange wird der Druck, etwas zu ändern, nicht wachsen.
Aus diesen Gründen werde ich der Konzernverantwortungsinitative, verbunden mit dem Wunsch, doch auch unser eigenes Konsumverhalten kritisch zu hinterfragen, zustimmen.

Contra: Reto Stifel
Gut gemeint ist in diesem Fall eben nicht gut
Ich werde am 29. November gegen die Konzernverantwortungsinitiative stimmen. Bedeutet das, dass ich Menschenrechtsverletzungen toleriere und mich um Umweltstandards foutiere? Nein! Als aufgeklärter Bürger darf ich davon ausgehen, dass die Wirtschaft in jeder Beziehung nachhaltig arbeitet. Auch in ihrem ureigensten Interesse. Firmen, die ein Geschäftsmodell haben, welches Menschenrechtsverletzungen oder Umweltverstösse in Kauf nimmt, sind heute schnell weg vom Fenster. Die Idee der Initiative beruht auf dem alten Bild der 1970er-Jahre, als gemäss dem US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman der einzige Zweck eines Unternehmens darin bestand, Gewinn zu erzielen.
Die Initiative ist gut gemeint, geht aber zu weit. Drei Beispiele: Die Haftungsfrage – Schweizer Unternehmen werden in Sippenhaft genommen und müssen auch dafür geradestehen, wenn rechtlich eigenständige Tochterfirmen oder wirtschaftlich abhängige Zulieferer im Ausland nach internationalem Recht gegen Auflagen verstossen. Das wiederum müssen Schweizer Gerichte nach Schweizer Recht beurteilen. Absurd.
Zweitens schadet die Initiative dort, wo sie helfen will. Schweizer Firmen investieren in Schwellen- und Entwicklungsländer in Arbeitsplätze und Infrastruktur. Sie gelten als verantwortungsvolle Arbeitgeber. Ergeben sich durch die Annahme der Initiative für sie unkalkulierbare rechtliche Risiken, ist die Gefahr gross, dass sich die Unternehmen zurückziehen. Das wäre völlig kontraproduktiv und zum Schaden der dortigen Bevölkerung.
Schliesslich – und das ist der dritte Grund für ein Nein – ist völlig offen, wer von dieser Initiative betroffen ist. Wenn der Volkswille gemäss Initiativtext umgesetzt wird, sind es deutlich mehr, als die wenigen, immer wieder genannten Grosskonzerne. Beteuerungen der Initianten, das Parlament werde bei der Umsetzung mit Augenmass vorgehen, ist reine Spekulation.
Ein Nein zur Initiative ist ein Ja zum indirekten Gegenvorschlag. Kein zahnloser Papiertiger, wie das die Initianten behaupten. Er setzt sich für die gleichen Anliegen ein, verzichtet aber auf das drastische Haftungsregime. Im Bereich der Kinderarbeit geht er sogar weiter als die Initiative. Und er könnte sehr rasch in Kraft treten und seine Wirkung entfalten.