Nordmanntanne oder Fichte? In der Natur gewachsen oder aus Plastik? Kaufen oder mieten? Fragen über Fragen, die in diesen Tagen viele Familien beschäftigen.
Nicht so bei uns. Vor Jahren schon hat meine Göttergattin entschieden, dass ein Weihnachtsbaum weder gerade gewachsen sein muss noch regelmässige Äste oder feste Nadeln haben muss – kurz frei von jeglichen ästhetischen Ansprüchen ausgewählt wird. Und darum begleitete uns die letzten 15 Jahre eine Arve durch die Weihnachtstage. Ein vom Leben gezeichnetes Bäumchen, welches Wind und Wetter getrotzt, krumm gewachsen, fast astfrei und mit buschigen langen Nadeln gespickt ist. Ein «Grotzli», wie wir Berner sagen. Eine «charismatische Gebirgsbaumart» steht im Internet. Charismatisch? Vielleicht. Aber nicht schön. Weil das Bäumchen gar nicht für Weihnachten geschlagen worden ist. Nein, es musste fort. Weil es im Weg stand. Oder einem anderen Baum das Licht nahm. Wäre es nicht bei uns gelandet, dann sicher im Holzschredder.
Auf diese Weihnachten sollte alles andere werden. Vor einem Monat stand plötzlich eine kleine Lärche in unserem Wintergarten. Krumm gewachsen, keine Spitze und Ende November komplett nackt, sprich ohne eine einzige Nadel. «Weg damit!» war der erste Kommentar im Familienchat. Doch meine Frau blieb standfest. Was diese Lärche brauche, sei Wasser und Backpulver und – schwups – rechtzeitig zu Weihnachten soll sich das braune Baumgerüst in eine Lärche verwandeln, voll im Saft mit grünen Nadeln wie im Frühjahr.
Nur, nach zwei Wochen war das Bäumchen immer noch so nackt wie Adam und Eva im Paradies. Ende der dritten Woche endlich eine Veränderung. Die feinen Ästchen waren von der Feuchte und der Kälte im Wintergarten angegraut. Immerhin. Seit ein paar Tagen nun steht die Lärche im warmen Wohnzimmer, wo sie endlich Frühlingsgefühle entwickeln soll. Bisher ohne Erfolg. Noch bleiben sechs Tage. Ich bin skeptisch. Die Arve steht schon bereit.

Autor und Foto: Reto Stifel

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