Foto: shutterstock.com/Bushko Oleksandr

Foto: shutterstock.com/Bushko Oleksandr

Ein weiteres Kapitel in der unendlichen Geschichte der ESTM

Zuerst soll die Vergangenheit aufgearbeitet und abgeschlossen werden. So lautet die offizielle Begründung, weshalb drei der sechs gewählten VR-Mitglieder der ESTM AG das Mandat nicht angenommen haben. Es sieht allerdings so aus, als ob in diesem Punkt nicht alle Fakten und Informationen vorlagen.

Die Wahl des neuen Verwaltungsrates von letzter Woche und die Frage, weshalb Marcel Bührer, Felix Ehrat und Richard Leuenberger das Mandat trotz ihrer Kandidatur und Wahl nun doch nicht ausüben wollen, ist im Oberengadin nach wie vor ein viel diskutiertes Thema.

Verwunderung
«Es ist schon sehr speziell, wenn man sich für einen Job bewirbt, den man dann doch nicht annimmt. Und mit der Argumentation, weshalb sie sich Marcel Bührer, Felix Ehrat und Richard Leuenberger zurückgezogen haben, habe ich schon etwas Mühe», sagt Martin Aebli, Vorsitzender der Präsidentenkonferenz und Gemeindepräsident von Pontresina. «Die Kandidaten wussten im Vorfeld, worum es geht, die Fakten lagen ganz klar auf dem Tisch», ist er der Ansicht.
Dass zuerst die Vergangenheit aufgearbeitet werden muss, ist für Aebli nur logisch, «was dem alten VR aber keinen Sinn mehr gemacht hätte.» Zudem seien die Kandidaten bei den Hearings mit den Anspruchsgruppen darauf vorbereitet worden. «Es ist doch bei jedem Unternehmen so: Zuerst muss die Vergangenheit abgeschlossen werden, bevor etwas Neues begonnen werden kann», ist er überzeugt. Darüber hinaus ist Aebli zufolge die Suche nach einem neuen CEO schon im vergangenen Winter thematisiert worden.

Keinerlei Informationen zu Altlasten
Felix Ehrat hatte laut eigenen Aussagen bezüglich Altlasten keinerlei Informationen, weil sich die Diskussionen mit den Gemeindepräsidenten und Leistungsträgern im Vorfeld ausschliesslich um die Zukunftsfähigkeit der Tourismus-Region drehte. Deshalb hält er auch dezidiert fest, «dass die von Martin Aebli aufgestellte These in Bezug auf die Bereinigung der Altlasten zumindest für meine Person falsch sind.» Ihm sei stets kommuniziert worden, dass der Übergangs-VR 2020/2021 eine Vision und eine langfristige Strategie für die nachhaltige Entwicklung der Tourismusregion entwickeln müsse. «Mit diesem Auftrag wollten wir uns gemeinsam im VR und im Beirat mit Begeisterung engagieren», so Ehrat.

Der Blick zurück 
Er blickt zurück: Anfang des Jahres wurde er zusammen mit dem Unternehmer und Marketingspezialist Georges Kern aus dem Kreise der Gemeindepräsidenten angefragt, für das Engadin eine Vision zu entwickeln. Nach seinem Verständnis ging es darum, einen Rahmen für die Weiterentwicklung zu schaffen, in Zusammenarbeit mit einem kleinen effizienten Übergangs-Verwaltungsrat und mit einem breit abgestützten Beirat wichtige Stossrichtungen zu definieren sowie diese kontinuierlich mit allen wichtigen Interessengruppen im Tal zu besprechen und gegen Ende des Jahres mit der Bevölkerung zu teilen.

Grossmehrheitlich einverstanden
Seit Februar haben sie an Sitzungen und in Gesprächen erste Vorstellungen entwickelt: Die Erwartungshaltung der jungen Generation, Klimaneutralität und die Digitalisierung standen gemäss Ehrat im Mittelpunkt. «Aufgrund unserer Überlegungen wurden wir dann gebeten, uns als Präsident des Verwaltungsrates und als Präsident des zu schaffenden Beirates zur Verfügung zu stellen. Wir haben eingewilligt im Verständnis, dass das Aktionariat zumindest grossmehrheitlich mit unserem Plan und unseren vorläufigen inhaltlichen Vorstellungen einverstanden ist. Über die Bereinigung der Altlasten wurde mit uns nicht einmal diskutiert – völlig zurecht übrigens, weil es keinen Sinn machen würde, Auswärtige damit zu betrauen», ist Ehrat der Meinung.
Bereits Anfang des Jahres habe er konsequenterweise auch vorgeschlagen, die CEO-Suche zu sistieren bis die vom neuen VR auszuarbeitende Vision konkret vorliegt und breit vom Aktionariat und anderen relevanten Interessengruppen akzeptiert ist.

Aufträge wichen fundamental ab
«Drei Tage vor der GV, am 12. Mai, informierte man mich über das signifikante finanzielle Loch der ESTM AG. Gleichentags verlangte ich schriftlich, dass die Überschuldung bis zur GV zu bereinigen sei, um einen Neustart ohne finanzielle Hypotheken zu ermöglichen – was mir zugesichert wurde», fährt Ehrat fort. «An der Orientierung nach der GV wurde uns dann aber mitgeteilt, dass die Überschuldung nicht vollständig beseitigt worden sei, der neue VR eine Liste von mir bisher nicht bekannten Altlasten abarbeiten und einen neuen CEO suchen müsse – die Entwicklung einer zukunftsfähigen Strategie solle hingegen verschoben werden. Diese Erwartungen und Aufträge wichen fundamental ab von allen Gesprächen, die wir vorher geführt haben.»

Nichts hinzuzufügen
Während sich Felix Ehrat im Detail äussert, nimmt Richard Leuenberger, Managing Director des Badrutt’s Palace Hotel in St. Moritz, neben der bereits bekannten offiziellen Mitteilung der ESTM AG und dem gemeinsamen Statement zu diesem Thema nicht weiter Stellung. Genau so antwortet Bührer auf Anfrage der EP/PL: «Dem bisher Kommunizierten möchte ich nichts hinzufügen. Gerüchte möchte ich keine kommentieren.»


10 Kommentare

koch am 22.05.2020, 15:37

dieser Verein würde sich gescheiter mal Gedanken mache wie es allenfalls im nächsten Winter weitergeht, falls Anlässe wie das Polotournier, Pferderennen, Engadiner-Marathon und so weiter nicht stattfinden dürften. Aber vermutlich sind sie zu feste mit sich selber Beschäftigt.

Bruno Giovanoli am 22.05.2020, 17:09

Meiner Meinung nach sind jetzt die Gemeinden, als Geldgeber, gefordert. Es muss endlich Klarheit in dieser leidigen und beschämenden Geschichte geschaffen werden. Damit es vorwärts geht sind ab sofort die finanziellen Mittel einzustellen.

Fortunat am 22.05.2020, 23:29

Die Gemeinden und somit das Stimmvolk muss wieder die Oberhand gewinnen; weil es so nicht funktioniert. Wir alle hängen direkt oder indirekt von der touristischen Infrastruktur ab. Es kann nicht sein, dass die Bergbahnen gewinnorientierte AG's sind. Es gibt keine Konkurrenz zu einer bestehenden Bergbahn und somit macht diese Rechtsform keinen Sinn. Zudem laufen die Bahnen auf Gemeindeboden. Hier aber machen private, Gewinn orientierte Organisationsformen keinen Sinn, weil es keine Konkurrenz gibt. Organisatorisch müssten diese, für uns alle unablässige Infrastrukturen wie die Wasserversorgung, die Müllabfuhr, die Feuerwehr, die Schulen, das Spitalwesen usw. öffentlich organisiert sein. Wie damals das Alpwesen. Demokratisch gewählt und nicht privat geführt, nicht hier. Nicht als private Vereine, oder AG's, sondern als Kernaufgabe der Gemeinden miteinander für die Region. Wie der Engadin Bus. Da werden Konzessionen vergeben an dem, der es am besten macht um da die Konkurrenz zu haben.

Daniel Röthlisberger am 23.05.2020, 08:50

unglaublich das Hin und Her. ist es nicht möglich dass man sich mal einigt - für eine Zukunft mit Perspektiven. Gebastel ist das, nichts anders !!!! bitte professioneller - Top of ze Wörld. wo wo ? War gerade diese Woche in Region Saanenland /Gstaad zwecks privatem Ausflug. Unglaublich positiv überrascht. Diese Region hat einen super Auftritt, man merkt und sieht dass alle am gleichen Seil ziehen. Saanen neu verkehrsfrei, unterirdische Parkhalle. Dorfstrasse zum flanieren. Saanen und Gstaad. super herausgeputzt alles. Man fühlt sich wohl, guter Auftritt in allem. QualitätsTourismus mit viel Berner Oberland Flair. St.Moritz muss gasgeben, sonst verpassen sie den Anschluss. So tolle Gegend aber Auftritt zu heulen. Gstaad Airport, Tower u. Hanger /Abfertigung neu. gut integriert in die Region. Top.

Fortunat am 23.05.2020, 12:38

Ja genau Herr Röthlisberger. Sie sehen das richtig. Show me the incentives and I say you the outcome. Geht auch umgekehrt. See the outcome and I say you the incentives. Das Ganze ist falsch organisiert. Das ist ein organisatorisches Problem, das falsche Anreize setzt. Eine Tourismus Organisation darf keine AG sein, ebenso wenig die Bergbahnen. Das ist öffentliches Interesse und darf nicht privat geführten, Gewinn orientierten Gesellschaftsformen überlassen werden. Weil die haben andere Interessen als das Wohl einer Region. Organisationslehre. Show me the input and I show you the output. Offensichtlich funktioniert es so nicht! Die Anreize sind fasch gesetzt. Also: Es muss in eine Körperschaft überführt werden, wo das Interesse es gut zu machen mit dem übergeordeneten Nutzen aller übereinstimmt. Wie damals das Alpwesen. Irrsinnig sowas zu privatisieren. Ungefähr so dumm, wie das Alpwesen zu privatisieren. Oder stellen sie sich vor, die Polizei wäre eine AG. Das kommt sicher nicht gut!

Fortunat am 24.05.2020, 05:14

Eine Volkswirtschaft ohne Konkurse ist wie eine Religion ohne Hölle. Alle können Dummheiten machen wie sie wollen, ohne etwas befürchten zu müssen.

Michael Ziesmann am 24.05.2020, 11:10

Ein Bilderbuchbeispiel dafür, dass es in St. Moritz überwiegend um selbstverliebte Narzissten geht, die sich mit dem verblassten Label St. Moritz selbst aufhübschen müssen - weil sie anderswo in ernsthaften Unternehmen oder Tourismusorganisationen kein Bein auf den Boden bekommen würden. St. Moritz als Sammelbecken für Ewiggestrige und gescheiterte Existenzen, anstatt ein Hort der Innovation. Das zeigt sich an diesem erbärmlichen Vorgehen erneut. Und wer möchte schon für eine ESTM AG arbeiten, die öffentlich auf Titelseiten dem CEO nachgetreten hat? Wer soll denn für die ESTM AG arbeiten, wo - wie in St. Moritz ebenso - international erfahrene Fachkräfte nicht gewollt sind? Gerade in Krisenzeiten zeigen sich nicht nur in der Politik wie unter einem Brennglas, wo Fachkompetenz fehlt. Wessen Berufserfahrung zwischen Samedan und dem Bergell endet, der kann keine Destination international vermarkten - und könnte höchstens die Flumser Berge voranbringen.

Salomé Zoller am 24.05.2020, 13:57

Narzissten - ich würde noch einen Schritt weitergehen und die in aller Oeffentlichkeit ausgetragene Auseinandersetzung als einen entfleischlichten Phalluskomplex bezeichnen.

Michael Ziesmann am 25.05.2020, 15:27

"...entfleischlichten Phalluskomplex" war mir noch gar nicht geläufig. Macht aber in St. Moritz Sinn. Tragisch.

Anwohner Suvretta Alpina am 27.05.2020, 21:48

Fakt ist, die Gesellschaft hat ein Defizit von ca. CHF 600'000.-. Dieses Problem muss nun für die Nachwelt nachhaltig ohne diese Schönwetterkapitäne gelöst werden. Gewisse Personen trifft man unflätig am Julierpass mit neuem Porsche... Bei einem selber erlebten Nachtessen unter Freunden am Suvretta Hang: Einer der Gäste fuhr im LaFerrari vor. Der Kommentar des Hausherrn war: Hat dieser Zeitgenosse nur dieses Spielzeug? Der Fahrer wurde nie mehr eingeladen. Es braucht Macher, welche sich finanziell und persönlich einbringen und wie wir Arbeitgeber Verantwortung übernehmen für Gewinn, Verlust und die Mitarbeiter. Ob sich hier eine Resipiszenz bei einigen Protagonisten einstellt ist fraglich. Offenbar weltfremde Narzisten, welche nur einen Kopf haben, damit es oben nicht reinregnet, sind hier falsch!