Nach einem zweijährigen Nomadenleben plante ich Ende 2018 meine Rückkehr nach Deutschland. Eine letzte Station stand aber noch auf dem Programm: Eine Saisonstelle in Sils. Aber aus der einen Saison wurde eine zweite, aus der zweiten eine dritte und aus mir, der rastlosen Vagabundin, ist schleichend eine Nestbauerin geworden, die den Backpack gegen einen unbefristeten Mietvertrag eintauschte und den Laissez-Faire-Lifestyle für eine feste Beschäftigung aufgab, die ungemein Freude bereitet: dem Schreiben. Wenn ich mit meinen deutschen Freunden telefoniere, darf ich mir klischeebehaftete Sprüche bezüglich meinem bodenständigen Schweizer Leben anhören: «Ja, ja; du in deinem Heidiland da oben.» Wenn ich dann antworte, dass in der Nachbarschaft – auf Grevasalvas, dem Maiensäss oberhalb von Plaun da Lej – tatsächlich ein Heidi-Film gedreht wurde, ernte ich überraschte Sprachlosigkeit. Die Aussage meines Vaters «In der Schweiz sind die Kühe lila» kann ich untermauern: «Das Val Fex beheimatete Ende der 80er wirklich die Milka-Kuh und war Schauplatz des Werbespots!» Wie ist diese Engadin-Idylle zu erklären? Das Hochtal liegt geografisch abgeschieden, abgesehen von Corona tangiert die Menschen das Weltgeschehen hier wenig, von gesellschaftlichen Umbrüchen ist nichts zu spüren. Das liegt wohl daran, dass es der Region aus ökonomischer Sicht gut geht – trotz Corona-Krise. Hinzu kommt, dass die atemberaubende Berglandschaft, die unzähligen Sonnentage und die Seen-Pracht jeglichen Weltschmerz vergessen lässt. Eine Interviewpartnerin fasste kürzlich dieses sichere und zugleich surreal anmutende Lebensgefühl in die treffenden Worte: «Im Engadin ist man dem Himmel ein Stückchen näher als anderswo.» Recht hat sie. Wir leben in einer behüteten Seifenblase – dem «Engadin Bubble», wie ich es liebevoll nenne. Ob dieser «Bubble» wohl irgendwann zerplatzt?

Foto und Text: Denise Kley, volontariat@engadinerpost.ch