«Regionale Standortentwicklung Region Maloja.» So lautet das Ziel, auf welches eine fünfköpfige regionale Arbeitsgruppe zusammen mit Peder Plaz und Brigitte Küng, dem Projektteam der Politik- und Unternehmensberatungsfirma Hanser Consulting AG, seit Monaten hinarbeitet. Nun liegt eine aktualisierte Fassung der Strategiepapiere vor. Diese wurde bereits an das Bündner Amt für Wirtschaft und Tourismus (ATW) gesandt und wird in diesen Tagen auch bei den Oberengadiner Gemeinden eintreffen, wo die drei Dokumente im August im Rahmen der Mitwirkungsfrist öffentlich aufgelegt werden.
Standortentwicklung ist eine überaus komplexe Aufgabe, wie Martin Aebli als Präsident der Region Maloja aufzeigt. Massgebend sind dabei folgende Punkte:

«Agenda 2030» als regionale Basis
Aufgebaut ist die regionale Standortentwicklungsstrategie (SES) auf der vorliegenden «Agenda 2030». Mit dieser wurde auf kantonaler Ebene versucht, integrale Strategien zu formulieren, welche ihrerseits auf den Stärken und Schwächen der einzelnen Regionen beruhen. In der Junisession hat der Bündner Grosse Rat entschieden, dass Standortpolitik zwingend durch die einzelnen Regionen zu erarbeiten sei. «Jeder Region ist es dabei überlassen, selbst ein Strategiepapier unter dem Titel ‹regionale Standortentwicklung› zu erstellen und dort die regionenspezifischen Themenschwerpunkte zu setzen.» Ein solches Strategiepapier muss vom Kanton nicht mehr genehmigt, sondern lediglich zur Kenntnis genommen werden, ist für die Gemeinden der betreffenden Region aber verbindlich.

Eine Strategie, drei Dokumente
Die öffentlich aufgelegte SES beinhaltet drei Dokumente: Das «Chart Set SES 2030» gibt basierend auf der «Agenda 2030» Auskunft über die Ausgangslage und die Rahmenbedingungen der Region Maloja. Die eigentliche «Standortentwicklungsstrategie». Diese fasst die Vision, die Chancen und die Stossrichtungen der Strategie zusammen und formuliert diese aus. Das «Projektportfolio» schliesslich zeigt konkrete Projekte, welche von der Region als besonders relevant betrachtet werden, um die festgelegten strategischen Ziele zu erreichen. Projekte von regionaler Bedeutung also.

Wichtig: stufenweise Betrachtung
Laut Martin Aebli bedingt eine Standortentwicklungsstrategie immer auch eine «stufengerechte Denk- und Betrachtungsweise von kantonalen, regionalen und kommunalen Abläufen und Leitplanken.» Er gibt Beispiele: «Man kann in einer Gemeinde kein Hotel bauen, ohne eine passende Zone dafür zu haben, keinen Radweg bauen, ohne Bewilligung der Raumordnung oder auch den Flugplatz nicht erweitern, ohne einen entsprechend abgesegneten Sachplan.» Viele, die in solchen Dingen mitreden wollen, scheitern an deren Komplexität», so Aebli.

Einflussnahme durch Raumplanung
Schwierig und kompliziert wird die Ausarbeitung einer Entwicklungsstrategie vor allem auch durch den Einfluss eines zweiten Spielfeldes, wie Martin Aebli es nennt, der Raumplanung. Diese ist auf allen Stufen von national über kantonal bis, wo vorhanden, kommunal, behördenverbindlich und bildet somit die Basis aller Standortentwicklung.

SES als Momentaufnahme
Eine Standortentwicklungsstrategie ist für Aebli eine Momentaufnahme im Sinne von Wirtschafts- und Standortentwicklung. So nach dem Motto, wo stehen wir und was haben wir heute, und wo wollen wir in zehn Jahren sein? Auch eine Region wie das Oberengadin lebt nicht alleine vom Tourismus. Dieser ist zentral und wichtig, zu ihm zählen aber auch sogenannte Querschnittsaufgaben wie Bildung, Gesundheit, Verkehr oder Digitalisierung. Zusammen ergeben diese fünf Hauptthemen denn auch gleich die Stossrichtung der SES Region Maloja.

Wie weiter?
Nach der öffentlichen Mitwirkungsphase wird die SES-Arbeitsgruppe, bestehend aus Jenny Kolmar, Geschäftsführerin der Region Maloja als Auftraggeberin, Martin Aebli, Präsident der Region Maloja, Andrea Gilli als Vertreter der Plaivgemeinden, Adrian Ehrbar als Vertreter von St. Moritz Tourismus, Christian Jott Jenny als Vertreter der Gemeinde St. Moritz sowie Peder Plaz und Brigitte Küng von Hanser Consulting AG die Papiere aufarbeiten und finalisieren. Martin Aebli hofft, diese abschliessende Version im November anlässlich der Präsidentenkonferenz der Region Maloja zu Handen der Gemeinden verabschieden zu können.

Basis für kommunale, räumliche Leitbilder
Die regionale Entwicklungsstrategie soll dann einerseits den Tourismusdestinationen, vor allem aber den Gemeinden als Basis für ihre jeweiligen Strategien respektive den Gemeinden auch für deren kommunal räumlichen Leitbilder dienen, welche sie von Amtswegen erstellen müssen.

Die Strategiepapiere der öffentlichen Auflage sind auch online über die jeweiligen Gemeinden oder die Region Maloja einsehbar. www.regionmaloja.ch

Die Hauptthemen der Standortentwicklungsstrategie SES der Region Maloja:
Tourismus
Der Tourismus ist unbestritten die treibende Kraft in der Region Maloja. Die Branche und damit auch der Wirtschaftsstandort Oberengadin stagnieren seit zwei Jahrzehnten. Der Tourismus als Massengeschäft setzt grundsätzlich zwei Komponenten voraus: Gäste und Infrastruktur. Finanz- und aktuell auch Gesundheitskrisen zeigen aber, dass die Tourismusbranche ein sehr komplexes Gebilde ist, welche sich von Politik und Leistungsträgern vor Ort nicht immer und vollumfänglich beeinflussen lässt. So zeigt auch die aktuelle Corona-Krise, dass gegen Ereignisse durch höhere Gewalt die besten Dienstleistungen und Qualitäten weitgehend nutzlos sind. Angestrebt werden soll ein Ganzjahrestourismus.

Mobilität
Eine gut ausgebaute Infrastruktur ist Basis touristischer und wirtschaftlicher Angebote. Schnelle Verbindungen vom Unterland in Destinationen wie Flims/Laax oder auch Davos zeigen aber, dass, je besser die Erschliessung ist, je stärker der Tagestourismus floriert, Verkehrswege überlastet sind und lokale Wertschöpfung verloren geht. Nötig ist eine Chancen-Risiko-Abwägung und regionale Fragestellungen nach Möglichkeiten, den öffentlichen Verkehr zu priorisieren oder den Langsamverkehr zu entflechten. Die gute Erreichbarkeit einer Region bringt Pendler und Zuzügler mit sich, was wiederum langfristig Druck auf Infrastruktur wie Strassen, Siedlungen oder Schulen ausübt.

Digitalisierung
Die Digitalisierung könnte als Instrument dienen, negative Auswirkungen auf regionale (Mobilitäts)-Infrastrukturen zu dämpfen. Stichwort Glasfaser, also eine möglichst gute Abdeckung mit Breitbandanschlüssen und der daraus entstehenden Möglichkeit, Wohn- und Arbeitsplätze von den Ballungszentren in die Randregionen zu ziehen. Allerdings setzt auch die Digitalisierung ihrerseits eine entsprechende regionale und überregionale technische Infrastruktur voraus. Vereinzelt gelingt es den Gemeinden so schon heute, Zweitheimische zu Erstheimischen zu machen. Digitalisierung kann auch moderne Berufe fördern und damit vielleicht auch die Standorttreue von sonst abziehenden Jugendlichen.

Wohnstandort
Laut SES-Strategiepapier gilt der Erhalt und der Ausbau der Region Maloja als attraktiver und zukunftsfähiger Lebens-, Wohn- und Wirtschaftsraum als übergeordnetes Ziel der Standortentwicklungsstrategie. Auf der Basis des Wirtschafts-motors Tourismus gilt es deshalb, die restlichen Rahmenbedingungen möglichst passend zu gestalten. In diesen Bereich spielen ganz verschiedene Angebote, von Bildung über alle Stufen von Kita bis Matura, von Gesundheitsversorgung bis Gesundheitstourismus oder von Energiethemen über Digitalisierung bis zu den weitverzweigten Themenfeldern Kultur, Natur (inklusive Klima) und Wirtschaft einschliesslich Bau und Gastronomie.

Diversifizierung der Wirtschaft
Das Oberengadin hat laut dem Entwurf des SES-Strategiepapiers die Chance, seine Wirtschaft teilweise zu diversifizieren und zwar nach und nach in Richtung «wertschöpfungsintensiver, tourismusnaher Dienstleistungen». Das Stichwort lautet hier: «Smart Destination». Ein Schlagwort, welches grundsätzlich für die Digitalisierung von touristischen Reisezielen rund um die Verbindung von digitalen und realen Erlebniswelten steht. Allerdings fehlt dem Oberengadin die nötige Einwohnerzahl, um beispielsweise von der Agglomerationsstrategie des Bundes zu profitieren und damit unter anderem auch von Finanzmitteln für die Infrastruktur im Bereich Langsamverkehr.

Autor und Foto: Jon Duschletta