Meistens regnet es auch montagsmorgens. Ist Ihnen bestimmt auch schon aufgefallen.
Ob der Wettergott es aus Güte regnen lässt, damit wir den Weg zur Arbeit am Montag versöhnlicher antreten und uns nicht ärgern, den Sonnenschein draussen zu verpassen? Anders vielleicht noch, wenn im Job gerade ein spannendes Projekt ansteht. Da ordnet man seinen Schreibtisch gedanklich gern schon am Sonntagabend, spricht vielleicht sogar Gedankenblitze auf dem Arbeitsweg schnell aufs Handy.

Montagmorgen im August. Der erste Urlaubstag. Es regnet. Dicke Wolken hängen in den Bergen. Aber ich hatte mich mit meinem Herzensfreund Luc zum Wandern verabredet. Er wollte mir Edelweiss zeigen. Eeedelllweiss!!! In freier Natur! «Ehrlich? Du weisst, wo hier Edelweiss stehen? Zeigst Du sie mir?», habe ich ihn Tage zuvor gefragt. «Ja, sicher zeig ich sie Dir.» Eben, am Montag. Als Mädchen habe ich mal von meinem Vater ein in Plexiglas eingeschweisstes Edelweiss als Halskette geschenkt bekommen. War ich stolz. So was Kostbares, wusste ich schon damals. Und jetzt, Jahrzehnte danach, soll ich in meinem Leben tatsächlich echte Edelweiss zu Gesicht bekommen? Das Wetter ist – ehrlich gesagt – eher zum Absagen der ganzen Wanderung. Noch im Telefonat gebe ich mir einen Ruck und sage: «Wir können gehen …» Hörbare Freude am anderen Ende. Es hat zwar aufgehört zu regnen, aber so richtig Lust auf die Tour habe ich bei dem Wetter nicht. Luc riecht es förmlich. «Auf, Mädel, ist doch egal, wie das Wetter ist, wir haben doch immer Spass», höre ich ihn sagen. Er weiss, wie man Menschen motiviert. In Buffalora angekommen, machen wir uns auf den Weg. Verstehen uns einfach. Auch ohne Worte. Aber wir reden beide gerne. Und sind dabei immer hellwach in der Wahrnehmung von – eigentlich allem. Ob bei Wanderungen, beim Gespräch im direkten Gegenüber, beim Beobachten von dem, was um uns herum oder gerade in der Welt passiert. Und jetzt, auf dem Weg zu den Edelweissen, philosophieren wir – wie immer. Wie Leute ticken. Warum man, je «reifer» man wird, je mehr «zu sich selbst stehen» möchte. «Nein» sagen lernt. Warum das Leben aber nicht ungerecht ist, sondern einfach nur nicht kalkulierbar.
Wir kommen auf einer Hochwiese an. Mutterkühe mit ihren Kälbern schielen uns ziemlich ungehalten entgegen. Luc entscheidet, einen grossen Bogen um sie herum zu machen. Ein paar hundert Meter später bleibt er stehen und sagt: «Hier, schau, hier sind sie …» «Hier?», ich schaue ungläubig nach unten … und tatsächlich, quasi mitten auf der Kuhwiese wachsen «meine» hochkostbaren, seltenen Edelweisse. Ich bin irgendwie ein bisschen enttäuscht. So unspektakulär stehen sie da, man muss sich nur nach ihnen bücken. Ich dachte mein bisheriges Leben lang, dass man sich fast ein Bein ausreissen muss, gefährliche Gipfel erklimmen, um ein Edelweiss zu entdecken. Das war wohl eher Luis-Trenker-Alpenkitsch-Dramaturgie. Freuen tu ich mich trotzdem. Fasse die ganz weichen und dicken Blütenblätter vorsichtig an. Einfach wunderschön. Weil es doch wieder nass wird, treten wir den Rückweg an, essen sogar noch fürstlich.
Montagsblues? Nein, im Gegenteil, weil wir diesen trüb-nassen Montag zu einem Feiertag gemacht haben. Ja, ich gebe es zu, das kommt viel zu selten vor. Eben, wie ein Edelweiss.

Text: Birgit Eisenhut