Wer rollende Köpfe sehen wollte, wird enttäuscht sein. Sowohl der zweite Teilbericht der PUK Baukartell wie auch die von der Regierung veranlasste Administrativuntersuchung kommen zum Schluss, dass kantonale Beamte und Behördenmitglieder nicht aktiver Teil des Bündner Baukartells waren. Diese Feststellung ist zentral: Denn was die Weko im April 2018 der Öffentlichkeit präsentiert, und nicht zuletzt von gewissen Medien genüsslich ausgeschlachtet wurde, hat den Kanton in seinen Grundfesten erschüttert. Mafiöse Strukturen, korrupte Beamten, kurz: Lebt in Graubünden ein Volk von Betrügern und Mafiosi? Nein. Das Bild einer Bananenrepublik ist falsch, und es wird mit der Aufarbeitung korrigiert. 

Augen zu anstatt hinschauen

Die untersuchten, teils jahrelang zurückliegenden Ereignisse münden in der Erkenntnis, dass kantonale Beamte damals falsch, vor allem aber gar nicht gehandelt haben. Anstatt genau hinzuschauen, haben sie vor dem Unangenehmen die Augen verschlossen. Anstatt dem Mann, der die ganzen Machenschaften aufdecken wollte vorurteilsfrei zu begegnen, haben sie ihn als wenig glaubwürdig abgestempelt. Kurz: Sie haben teilweise ihre dienstlichen Pflichten verletzt. Das ist ärgerlich, umso mehr bei einem sorgfältigeren Vorgehen ein Teil des Schadens hätte verhindert werden können. Aber die Versäumnisse sind kein Kapitalverbrechen. Kein Protokoll geführt, eine Sachlage falsch eingeschätzt, Informationen nicht weitergeleitet: Wem ist das nicht schon passiert? Wir tun uns oft schwer mit einer differenzierteren Betrachtungsweise. Wir wollen Gut oder Böse. Täter oder Opfer. Was nicht in diesen Raster passt, bleibt verdächtig. 

Auch Gegenargumente hören

Zur Rechtsstaatlichkeit gehört aber auch, dass die Betroffenen ihre Sichtweise darlegen dürfen. Die ins Kreuzfeuer der Kritik gelangten Kantonsangestellten ebenso wie Baumeister und Behördenmitglieder. Nur wer sich auch ihre Argumente anhört, kann sich ein gesamtheitliches Bild machen. Schnelle Vorverurteilungen helfen nicht weiter. Hat der Berg eine Maus geboren oder anders gesagt: ausser Spesen nichts gewesen? Nein. Die akribische Aufarbeitung der Vorfälle trägt dazu bei, das Vertrauen der Bürger in den Staat wieder zu stärken, das ramponierte Image des Kantons zu reparieren. Die detaillierte Auseinandersetzung mit dem Thema ist vor allem auch Prävention. Hilfsmittel zur leichteren Erkennung von Bauabreden wurden erarbeitet, eine Anlaufstelle für die Meldung von Submissionsabreden eingerichtet und die Schulungen intensiviert. Kurz: Wer heute auf das Thema nicht sensibilisiert ist, muss auf beiden Augen und Ohren blind und taub sein. Kartelle sind nicht einfach zu erkennen. Es braucht Leute wie Adam Quadroni die bereit sind, Missstände öffentlich öffentlich anzuprangern. Und es braucht die, die zuhören, die richtigen Schlüsse ziehen und dann auch handeln. 

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Autor: Reto Stifel

Foto: Jon Duschletta