Neben den alltäglichen Herausforderungen, die es zu meistern gilt, ist es wichtig, sich ab und zu an die wirklich grossen Fragen des Lebens zu wagen. Was ist der Sinn meiner Existenz, macht Geld glücklich, gibt es einen Gott, was kommt nach dem Tod oder warum eigentlich können die gebührenpflichtigen Kehrichtsäcke der Region Maloja nur an der Kasse gekauft werden? Letzteres beschäftigt mich mindestens einmal im Monat. 

Weil ich die rote Plastikrolle immer vergesse. Immer. Man muss wissen, ich gehöre zu der Sorte der Shopper, die strukturiert einkaufen. Mit einem Einkaufszettel, auf dem die Produkte entsprechend der Reihenfolge der Auslage im Laden fein säuberlich aufgelistet sind. Also: Gemüse, Früchte, Fleisch, Milchprodukte, Tiefkühlwaren, Brot, Süssigkeiten, Essig, Öl, Gewürze, Nonfood, Kehrichtsäcke. 

Nur muss man Letztere bei der Kassiererin extra verlangen. Ihr durch die Plexiglasscheibe zuraunen: «Ich hätte gerne eine Rolle Kehrichtsäcke, 35 Liter bitte.» Als ob man etwas Verbotenes kaufen würde. Sprengstoff beispielsweise oder Koks. Also genau in diesem stressbeladenen Moment, in dem ich gefragt werde, ob ich eine Cumuluskarte habe, Märkchen für ein neues Geschirr-Set will, bezahlen muss und am Einpacken bin, weil der nächste Kunde bereits seine Einkäufe auf dem Laufband auftürmt, sollte ich noch an die Kehrichtsäcke denken. Ich schaff’ das nicht. Ich bin überfordert. 

Kürzlich wollte ich einen Aprikosenkuchen backen. Dafür musste ich Aprikosen, Kuchenteig und Rahm einkaufen gehen. Eine lösbare Aufgabe könnte man meinen. «Und bring gleich noch eine Rolle Kehrichtsäcke», rief mir meine Frau hinterher. «Kehrichtsäcke, Kehrichtsäcke, Kehrichtsäcke», wiederholte ich mantramässig bis zur Kasse. Und tatsächlich: Ich schaffte es. Nur der Kuchen kam verspätet in den Ofen. Ich hatte die Aprikosen vergessen.

Autor: Reto Stifel

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