Zugegeben: Kultur ist nicht meine Kernkompetenz, und wir haben in der Redaktion Leute, die das viel besser verstehen als ich. Darum schreiben sie auch darüber. Weil das P.S. aber quasi eine Carte blanche für die Redaktion ist, mache ich mir das zunutze und schreibe heute ein «Mensch-ärgere-Dich-(nicht)»-P.S. Nichts gegen Kultur, aber gegen ein Projekt, welches aus meiner Sicht so überflüssig ist wie Pommes frites auf der Pizza. 

Im Mai wurde bekannt, dass ein deutsches Künstlerduo in der Val d’Agnel beim Julierpass eine Uhr in ein Felsentor hängen will. Um gemäss Medienmitteilung «etwas zu erleben, was nicht erlebbar ist: erst die Verlangsamung und dann der Stillstand der Zeit.» 

So ein Chabis. Wenn ich in den Bergen unterwegs bin, sei es zu Fuss oder auf den Skiern, dann genau darum, weil ich dort, weitab der Zivilisation das Gefühl habe, dass die Zeit zwar nicht gerade stehen bleibt, aber komplett an Bedeutung verliert. Da muss ich nicht von einer überdimensional grossen Uhr darauf aufmerksam gemacht werden. Und schon gar nicht, wenn diese an einem Ort hängt, der für sich alleine sehr viel Kraft ausstrahlt. Wer schon im Felsentor auf dem Weg zur Fuorcla digl Leget stand, weiss das. Diese Möblierung der Landschaft ist komplett unnötig. Der Versuch einer Intervention wird scheitern, weil die Landschaft alleine Inszenierung genug ist. Oder ist das Kunstprojekt vielleicht so schwach, dass es die Landschaft als Stütze braucht?

Und nun das: Weil in einer Felsnische am Felsentor zurzeit offenbar zwei Turmfalken brüten, muss die Aktion um einen Monat auf Mitte August verschoben werden. Bravo, gute Familienplanung, liebe Turmfalken. Und Pfui an eine grosse Schweizer Tageszeitung, die zur Geschichte doch tatsächlich den Titel «Turmfalke stört Schweizer Kunstevent» setzte. Ist es nicht eher so, dass die Kunstinstallation die dort lebenden Tiere stört?

Vielleicht bewirkt das Innehalten – das ist ja die Idee hinter dem Projekt – beim Künstlerduo ein Umdenken. Sicher gäbe es in urbanen Gebieten gute Möglichkeiten, sich mit dem Thema Zeit auseinanderzusetzen. Aber bitte nicht beim Felsentor an der Fuorcla digl Leget. 

Autor: Reto Stifel

reto.stifel@engadinerpost.