Seit Montag liegt sie vor, die strategische Grundlage zur besseren Nutzung von Angeboten aus der Gesundheitsförderung und dem Wohlbefinden, das Leitbild «Gesundheitstourismus Graubünden». 

Erarbeitet wurde das Leitbild in den letzten gut vier Jahren von einer von der Regierung eingesetzten Steuerungsgruppe unter dem Vorsitz des Unterengadiner Gesundheitsexperten Philipp Gunzinger. Das 16-köpfige Strategiegremium mit Vertreterinnen und Vertretern der Bereiche Gesundheit, Tourismus, Forschung, Wirtschaft und Verwaltung hat sich explizit mit den Entwicklungsmöglichkeiten des Gesundheitstourismus in Graubünden auseinandergesetzt. Aufbauend auf der allgemeinen Entwicklung hin zu einem gesteigerten Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung, aufbauend aber auch auf sogenannt «wesentlichen Erfolgspotenzialen», welche im Tourismuskanton Graubünden per se schon vorhanden sind: Eine dezentrale, hochqualitative Gesundheitsversorgung, historisch gewachsene Gesundheitsförderungskompetenzen, werte- und sinnorientierte Tourismusangebote oder nicht zuletzt auch die intakten Natur- und Kulturlandschaften im vielfältigen Kanton. 

Medizintourismus liegt im Trend

Zur Medienpräsentation des Leitbilds waren die beiden Regierungsräte, Gesundheitsdirektor Peter Peyer und Volkswirtschaftsdirektor Marcus Caduff, dann Philipp Gunzinger als Leiter der bisherigen Steuerungsgruppe wie auch die Präsidentin des neu eingesetzten Ausschusses, die Touristikerin Yvonne Brigger-Vogel, im Grossratssaal in Chur erschienen. Das Leitbild zielt strategisch darauf ab, vorab in den drei Geschäftsfeldern Prävention, Mobilitätseinschränkungen und Ferienwohnungsbesitzende Potenziale zu erschliessen und diese mit geeigneten Massnahmen und Angeboten auszuschöpfen. Aber auch, regionalwirtschaftliche Potenziale aus dem Regierungsprogramm 2017 bis 2020 umzusetzen.

Wie gross schon heute das im Bereich Gesundheitstourismus schlummernde wirtschaftliche Potenzial tatsächlich ist, zeigt ein Blick auf Zahlen von Schweiz Tourismus: Demnach reisen jährlich rund 20 000 ausländische Patientinnen und Patienten zusammen mit noch einmal rund 30 000 Begleitpersonen für medizinische Behandlungen in die Schweiz, generieren dabei fast eine halbe Million Logiernächte und 196 Millionen Franken Umsatz – notabene ausserhalb der Kliniken und Spitäler. Auch global gesehen bewegen sich die Umsatzzahlen im Segment Medizintourismus stetig nach oben, mit für 2025 prognostizierten gut 136 Milliarden US-Dollar Umsatz. 

Noch ist gar viel «Nischenmarkt»

Trotz aller Euphorie ob all der neuen Möglichkeiten wurde während der Präsentation des Leitbildes die Bezeichnung «Nischenmarkt» immer wieder verwendet. So auch beim Beispiel «Ferien-Dialyse in Graubünden», welche Yvonne Brigger-Vogel kurz vorstellte. Hier geht es darum, das Angebot der drei Bündner Dialysezentren am Churer Kantonsspital und an den Spitälern Davos und Oberengadin mit zusammen 33 Dialyseplätzen mit touristischen Angeboten zu kombinieren. «Dialysezentren sind es sich weniger gewohnt, Marketingfragen zu stellen», so Brigger-Vogel. «Das ist eine für sie ungewohnte, andere Welt. Dafür umso mehr die Welt der Hotelbetriebe, welche sich aber ihrerseits neuen Herausforderungen stellen müssen, wie beispielsweise einer angepassten Kochweise.» Hier die verschiedenen Bedürfnisse bestmöglichst miteinander zu verschmelzen, bedinge vieler Koordinations- und Vermittlungsarbeit. «Es ist eine Aufbauarbeit, bei der das grosse Geld nicht zu erwarten ist. Wir haben im Kanton aber das Potenzial und die Themenvielfalt, um hier anzuknüpfen», so Yvonne Brigger-Vogel. Die Luzernerin lebt seit 25 Jahren in Graubünden, hat bei Graubünden Ferien und Schweiz Tourismus gearbeitet und ist Geschäftsführerin der IG Tourismus Graubünden, wo es, wie sie sagt, «um tourismuspolitisches Lobbying geht». In ihrer neuen Aufgabe als Präsidentin des Ausschusses kommt ihr aktuell auch ihre Zweitausbildung als Mediatorin zugute. Weitere Entwicklungschancen sieht Brigger-Vogel in gesundheitstouristischen Angeboten in neuen und aktuellen Bereichen wie Long-Covid oder damit zusammenhängenden Ermüdungserscheinungen. «Gerade hier kann Graubünden mit seiner Kultur- und Naturlandschaft punkten und Angebote schaffen.»

In den Monaten Oktober und November ist eine Road-Show geplant, bei welcher das Leitbild «Gesundheitstourismus» in alle Regionen Graubündens getragen und vorgestellt werden soll. Dabei will Yvonne Brigger-Vogel den Mitwirkenden auch die hohen Erwartungen vermitteln: «Wir wollen die erste Anlaufstelle für Gesundheitstourismus in der Schweiz werden.»

Seit Montag ist mit der kantonalen Internetseite www.gesundheitstourismus.gr.ch eine aktuelle Informations- und Vernetzungsplattform für Leistungserbringer im Bereich Gesundheitstourismus online. 

Autor: Jon Duschletta