Ist Celerina heute ein attraktives Dorf? Ja, was die Lage, das Dorfleben, die Infrastruktur, den tiefen Steuersatz, aber auch die wirtschaftliche Potenz angeht. Nein, was die Verkehrssituation sowie städtebauliche Aspekte betrifft. Als Bewohner stellt man sich beispielsweise immer wieder die Frage, wo sich das eigentliche Zentrum befindet. Beim Bahnhof? Ausser dass dort die Züge ankommen und abfahren, passiert nichts. Bei der Plazza Chesa Cumünela? Die paar Geschäfte und die Bar ducken sich unter der Arkade weg, augenfällig ist einzig der Parkplatz. Beim Center da Sport? Die Terrasse oberhalb des Sportplatzes ist mit Blumenkisten und Skulpturen zur Strasse abgetrennt. Einziges Ziel scheint zu sein, dass auf dieser Aussichtsterrasse niemand sein Auto abstellt. Der historische Dorfteil? Viele werden sich fragen, wo der ist. Es gibt ihn, allerdings sind die meisten Häuser verkauft und werden als Zweitwohnsitz genutzt, hier pulsiert definitiv kein Leben mehr. 

Puzzleteilchen verbinden

Selbstverständlich gibt es in Celerina auch viele schöne Orte, nur fehlt das Verbindende, es fehlen die Treffpunkte für einen gemütlichen Schwatz – eben, es fehlt das Zentrum. Mit dem Projekt «Neugestaltung des Dorfzentrums» soll dieses Manko angegangen – und im Gegensatz zu früheren, gescheiteren Projekten – dieses Mal auch erfolgreich zu Ende gebracht werden. Nachdem der Souverän vor Jahresfrist einen Kredit von 1,5 Millionen Franken für ein Vor-Projekt genehmigt hatte, wurde dieses am vergangenen Montag gut 200 Einheimischen und Ferienwohnungsbesitzern vorgestellt. Gemeindepräsident Christian Brantschen sieht die Belebung des Dorfzentrums, die Aufwertung des historischen Dorfkerns, die Eindämmung des Durchgangsverkehrs und die Attraktivitätssteigerung des Ortes für den Tourismus und das lokale Gewerbe als wesentliche Ziele des Projektes, für welches das Räumliche Leitbild 2050 die Grundlage bildet. «Alles, was wir hier präsentieren, ist umsetzbar, finanzierbar und es wäre für Celerina ein grosser Sprung in die Zukunft», sagte Brantschen einleitend zur Informationsveranstaltung. 

Der Parkweg als Herzstück

Kerngedanke des Projektes ist der Parkweg «La Diagonela», welcher sich von der Talstation der Bergbahnen bis zum Inn schlängelt. Dies in einer parkähnlichen Landschaft für die bis zu 200 neue Bäume gepflanzt werden sollen. Im Sommer dient dieser Weg zum Flanieren und Spazieren, im Winter ist es die Loipe mit Dorfanschluss. Ein weiteres wichtiges Element ist der Strassenraum vor dem Hotel Cresta Palace. Dieser soll verbreitert und als Begegnungszone klassifiziert werden, mit Tempo 20 und Vortrittsrecht der Fussgänger gegenüber dem motorisierten Verkehr. Gleichzeitig soll die eingangs des Textes erwähnte Terrasse zu einem Verweil- und Aussichtspunkt werden. Vier Plätze im Dorf erhalten eine neue Gestaltung mit mehr Raum, mehr Grünfläche, Sitzmöglichkeiten und einer wirkungsvollen Beleuchtung – beispielsweise der Kirche Crasta, die heute direkt an der Via Maistra gelegen, kaum zur Kenntnis genommen wird. Die Via Maistra und die Via Staziun erhalten eine neue, für den ÖV optimierte Fahrbahn und mehr Platz für die Fussgänger, zudem soll die Strasse von einer Zitterpappel-Allee gesäumt werden. 

Revival des Dorfbaches

Geplant ist auch, den Schlattain vegl wieder entlang der Via da la Staziun fliessen zu lassen. Aufgrund der von diesem Bach ausgehenden Gefahr mit einem realen Hochwasserereignis, wurde der Dorfbach, der die beiden Teile Crasta und Celerina trennte, an den östlichen Dorfrand verlegt. Dort soll er auch bleiben. Für den neuen Dorfbach würde das reichlich vorhandene Wasser in den Hängen der Skiwiese Provulèr gefasst und in einem möglichst natürlichen Gerinne von der Via Pradè bis zur Via Nouva fliessen. Für Brantschen ist dieser Projektpunkt eine «Hommage an die Geschichte von Celerina», wie er betonte. 

Zwei Teilprojekte

All diese Vorhaben gehören zum Teilprojekt eins, welches mit Kosten von 24 Millionen Franken veranschlagt ist und zwischen 2023 und 2026 umgesetzt werden soll. Teilprojekt zwei umfasst die Tiefgarage Punt Schlattain mit Platz für 277 Autos. Oberirdisch käme ein Restaurantpavillon zu stehen mit einer Bäckerei – wie heute schon. Zudem das Langlauf- und Bikezentrum. Zusätzlich sind bei Punt Schlattain vier Wohn- und Gewerbebauten geplant. Die Realisation dieser vier Bauten soll Investoren überlassen werden. Darum lassen sich für dieses Teilprojekt auch noch keine konkreten Kostenschätzungen machen. Ziel der Gemeinde ist es, die Tiefgarage, die öffentlichen Bauten und die Verlegung des Feuerwehrstützpunktes auf die Parzelle «Grevas» bis 2030 zu realisieren.

Anschliessend wird für das Teilprojekt Strassenraum & Parklandschaft ein Bauprojekt ausgearbeitet. Der entsprechende Kredit von 24 Millionen Franken kommt nach heutigem Terminplan im kommenden Jahr vor die Stimmbürger. Wenn diese Ja sagen, könnte im Idealfall bereits in einem Jahr mit den ersten Arbeiten begonnen werden. 

Wohlwollen gegenüber dem Projekt

Die Präsentation des Projektes durch das Kernteam wurde von den Anwesenden im Grundsatz wohlwollend aufgenommen. Fragen oder kritische Bemerkungen gab es vor allem zum Verkehr. Wenn es nicht gelinge, die Autos aus dem Dorf zu bringen, werde eine Strassenraumgestaltung schwierig, wurde etwa gesagt. Ein anderer Votant bezweifelte, ob es tatsächlich so viele Parkplätze benötige, dies auch vor dem Hintergrund, dass es immer weniger Geschäfte im Dorfzentrum gebe. Für Brantschen spricht aber genau dieser Umstand für das Projekt. «Wir wollen und müssen wieder attraktiver werden um das Gewerbe anzuziehen», sagte er. 

Sämtliche Informationen zum Projekt und die Mitwirkungsunterlagen gibt es auf www.dorfzentrum-celerina.ch

Autor: Reto Stifel

Visualisierungen: Raumgleiter AG, Schlieren