Die Schönheit der St. Moritzer Reithalle erschliesst sich dem Betrachter nicht auf den ersten Blick. Das 1910 erstellte Gebäude ist baufällig, der in den 1960er-Jahren erstellte Anbau ein Verbrechen für das Auge. Erst wer im Innern der Reithalle steht und die Hallenkonstruktion auf sich wirken lässt, erkennt den architektonischen Wert dieses Gebäudes, welches in der Gemeinde als Kulturobjekt Schutzstatus geniesst. 

Das Ja am Sonntag zum Planungskredit ist darum auch als Respektbekenntnis gegenüber dieser Zeitzeugin der St. Moritzer Tourismusgeschichte zu verstehen. Das knappe Resultat zeigt aber auch, dass nur ein in sich stimmiges, überzeugendes Projekt die nächste Hürde nehmen wird: Das ist die Abstimmung über den Baukredit in gut einem Jahr. Längst nicht alle, die am Sonntag ein Ja in die Urne gelegt haben, dürften einem Sanierungsprojekt zustimmen, welches zu viel will, zu viel kostet und bei dem die längerfristigen Konsequenzen für die Gemeinde nicht abschätzbar sind. 

Fakt ist: Die Halle ist vor 110 Jahren mit dem einzigen Zweck gebaut worden, darin reiten zu können. Lesungen, Konzerte, Festbankette – das war nie die Nutzungsidee der Erbauer. Das gilt es bei der kommenden Projektierung zu berücksichtigen. Diese Halle kann nicht alles und sie muss nicht alles können. Einzig daran hat sich die künftige Nutzung auszurichten. 

Elefanten dürften in der «Manege» – so steht es über dem Eingang der Reithalle geschrieben – nie aufgetreten sein. Aber Elefanten stehen heute bildlich gesprochen im Raum. Probleme und Fragen, die einer Antwort bedürfen. Welche Rolle ist der Reithalle in einer Gesamtbetrachtung des Ludains-Areals zugedacht? Will und kann die Gemeinde die Eishalle auf dem Signal-Areal realisieren, und wenn ja, was bedeutet das für die Eisarena Ludains, verschwindet sie? Wie soll angesichts weiterer Projekte in diesem Gebiet in Zukunft die Erschliessung und Parkierung geregelt werden? Ist eine Winternutzung energetisch überhaupt vertretbar?

Fragen, die die Gemeinde mit dem Erstellen einer Nutzungs- und Gestaltungsstudie See oder einem Gesamtverkehrs- und Mobilitätskonzept bereits angegangen ist respektive noch angehen muss. Um den Stimmbürger im November 2022 von einem Ja zum Baukredit überzeugen zu können, braucht es neben Überzeugungsarbeit vor allem noch mehr Klarheit bezüglich dieser und anderer Themen. 

Autor: Reto Stifel 

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