Kürzlich auf einer Schneeschuhtour eingangs Val Fedoz. Zeit für ein kurzes Picknick. Was erblickt mein Auge (neben vielen leckeren Sachen, zugegeben): Zwei Orangen. Orangen! Hand aufs Herz: Gibt es bei leicht durchgeschwitzten Kleidern, einer gefühlten Windchill-Temperatur von minus 20 Grad, Nebel und Schneefall eine ungeeignetere Picknick-Frucht als eine Orange? Nein, nein und nochmals nein. Lieber würde ich mich in einem solchen Moment nackt ausziehen, in den Schnee eingraben und 20 Minuten so liegen bleiben, als eine Orange zu essen. Einfach so essen kann man die sowieso nicht. Handschuhe ausziehen, schälen, das weisse Häutchen mühsam ablösen: Das ist nur das Vorspiel. Was danach kommt, ist nicht besser. Eine Orange saftet, sie ist kalt, sauer und zäh. Was bitte soll daran gut sein? Nichts! Für mich ist die Orange der Arsch unter den Früchten. Sorry für diese verbale Entgleisung, aber ich sehe beim Schreiben dieser Zeilen nur noch orange und krieg mich gerade nicht mehr ein.
Und es gibt noch eine zweite Frucht, die mich bei einem Picknick in Rage bringt: Die Birne. Will mehr sein als sie ist. Schmückt sich mit vornehmen Namen wie Kaiser Alexander, Williams Bon Chrétien oder Gräfin von Paris. Oh la la. Lässt einem beim Einpacken mit ihrer harten Schale im guten Glauben, dass sie einen Apfel ersetzen kann. Und was bleibt davon zwei Stunden später übrig? Matschiges Mus. Da kann ich gerade so gut einen Joghurt ohne Verpackung mit auf die Wanderung nehmen.
Im Gegensatz zur Orange schmeckt mir die Birne wenigstens zu Hause. Geschnitten auf dem Müesli, geraffelt auf dem Kuchen und gebrannt in der Flasche. Diese Gedanken beruhigen meinen Puls. Versprochen, ich werde in dieser Kolumne verbal nicht mehr ausfällig. Trotzdem: Zu einem Picknick gehören weder Orangen noch Birnen. Dafür sind sie einfach die Pflaumen unter den Früchten.

Autor: Reto Stifel

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