Es war ein bizarrer Streit, der im vergangenen Mai in einem Prozess vor dem Bezirksgericht Zürich endete. Der St.  Moritzer Gemeindepräsident und Entertainer Christian Jott Jenny war angeklagt worden, weil er alte Zürcher Lieder abgeändert und so eine Urheberrechtsverletzung begangen haben soll. Als Privatkläger traten zum einen die Erben von Werner Wollenberger auf. Dieser hatte die Liedtexte zu «Eusi chli Stadt» in den 1960er-Jahren geschrieben. Anklage erhob aber auch die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat. Sie verlangte eine Geldstrafe und eine Busse wegen «Verbrechens gegen das Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte.»

Die Privatkläger und die Staatsanwaltschaft sind mit ihren Forderungen aber auf der ganzen Linie gescheitert. Das Bezirksgericht sprach Jenny im Mai vollumfänglich frei, und seit Kurzem ist das Urteil auch rechtskräftig. Gemäss Patrick Strub, Medien- und Informationsbeauftragter des Bezirksgerichts Zürich, wurde eine Berufung von den Klägern zurückgezogen. Über die Gründe für den Rückzug wollten die Privatkläger keine Auskunft geben, eine Anfrage der EP/PL blieb unbeantwortet.

 

Kunstfreiheit viel Raum gelassen

Christian Jott Jenny ist sehr froh, dass die Gegenseite ihre Einsprache einen Tag vor Ablauf der Frist zurückgezogen hat. Das Bezirksgericht habe haarscharf argumentiert, was Sache sei und vor allem der Kunstfreiheit viel Raum gelassen. «Dies ist der entscheidende Punkt; wäre es anders gekommen, wäre es ein verheerendes Urteil für die gesamte Theaterlandschaft gewesen», so Jenny. Die Einzelrichterin hatte sich bei der mündlichen Urteilseröffnung im Mai im Wesentlichen auf den Standpunkt gestellt, dass Liedtexte ohne vorheriges Fragen abgeändert werden können, sofern damit eine Parodie geschaffen wird – die sogenannte Parodieschranke, wie sie im Urheberrechtsgesetz festgeschrieben ist. Durch diese wird der Anspruch des Urhebers respektive dessen Rechtsnachfolgers auf Werkintegrität eingeschränkt.

Das ist nun auch im schriftlichen Urteil nachzulesen, welches der EP/PL vorliegt. Für die Richterin ist klar, dass die in der Anklageschrift bezeichneten Originalwerke von Werner Wollenberger von Jenny bei der Aufführung der «Trittligass-Ballade» und bei einem Auftritt anlässlich der Abdankung von Pfarrer Ernst Sieber auf eine humoristisch satirische Art abgeändert wurden. Dies, um teils offenkundig, teils subtil und leise Kritik an der heutigen Zürcher Gesellschaft und ihren Stadtthemen zu üben.

 

«Es war wichtig, dafür zu kämpfen»

«Mir war gar nicht bewusst, was für ein wegweisendes Urteil dies war. Aber mir wird immer mehr klar, wie wichtig es war, dafür zu kämpfen», sagt Jenny.

Aufgrund des Freispruchs erhält Jenny aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von 25 000 Franken für die Bezahlung seines Verteidigers. Das Gericht kommt zum Schluss, dass der Fall zwar beweismässig nicht besonders komplex war, die Strafuntersuchung aber doch gut zweieinhalb Jahre dauerte. Zudem weise die Rechtsfrage in den Kreisen, in denen sich Jenny bewege, eine hohe Brisanz auf.

Autor: Reto Stifel

Foto: Henry Schulz