«Sei nicht Feind von Blut ...», ruft Dichter Eder in die nun schon fast leere, von kaltem Zigarettenrauch vernebelte Schenke. Er hält kurz inne, hält sich die rechte Hand auf die Brust, schluckt leer und erhebt sich mit gehöriger Schlagseite langsam vom Stuhl. Dabei stützt er sich mit den Händen auf dem Tisch ab und kippt fast den hochrandigen Teller um, auf dem einzig ein Häufchen abgepellte Wursthaut an das eben genossene, üppige Mahl erinnert. Dichter Eder hebt sein leeres Weinglas und fährt mit lauter Stimme lallend fort: «... sei nicht Feind von Blut, sei nicht Feind von Leber – sei stattdessen Freund von Blut- und Leberwurst!»

Hätte Dichter Eder Anno Domini geahnt, dass im Jahr 1968 im Restaurant Löwen im Zürcherischen Weiler Unteralbis der Verein zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste (VBL) gegründet werden würde, er hätte sich sicher noch einen Zweier bestellt und darauf angestossen. 

Während Dichter Eder zugegebenerweise eher der Fantasie geschuldet ist, gibt es besagten Verein tatsächlich. Regelmässig treffen sich die über 100 Vereinsmitglieder zu Metzgeten oder zum Wursten, besuchen andere Regionen und ehren jeweils zum Ende eines Vereinsjahres Personen oder Organisationen, die sich um das Metzgetewesen verdient gemacht haben. Vor allem aber setzt sich der Verein dafür ein, dass vom geschlachteten Tier nicht nur die besten Stücke verwertet werden, sondern – bis eben hin zu Blut und Leber – möglichst alle verwertbaren Bestandteile. 

Eine Haltung, die damals zuzeiten des grossen Dichters Eder und wohl auch bei den Gründungsmitgliedern des Vereins VBL als selbstverständlich galt und zum Glück heute, in Zeiten, in denen man sich wieder vermehrt auf regionale Werte und Traditionen besinnt und möglichst nachhaltig produzierte Lebensmittel wünscht, auch wieder vermehrt gelebt wird. Bei der Gründung des VBL hiess der Leitsatz noch: «Moralische Unterstützung der Zucht und Haltung von glücklichen Säuen.» Heute nennt sich die internationale Bewegung «Nose to Tail», oder frei übersetzt «das ganze Biest» und gründet auf dem 2004 erschienenen Buch «Nose to Tail Eating» des englischen Küchenchefs Fergus Henderson. Der Verein VBL übrigens, und dass ist wohl auch etwas aussergewöhnlich, betreibt neben einer internationalen Abteilung auch eine Kulturkommission und die VBL-Akademie zur «Erforschung und Dokumentation des Metzgetewesens», wie auf www.vbl.org nachzulesen ist.

Wie auch immer, ich bin froh, konnte ich Ihnen diese Geschichte noch schnell erzählen. Jetzt, wo die letzte Metzgete durchstanden und die Blut- und Leberwürste verdaut sind. Jetzt, wo der herbe Geschmack von Blut und Leber wieder dem süssen Geschmack von Weihnachtsgebäck gewichen ist. In diesem Sinne, bun appetit e bellas Festas!

www.vbl.org

Autor und Foto: Jon Duschletta