Vor gut einem Jahr hat das Schweizer Fernsehen SRF den Dokumentarfilm «Der Preis der Aufrichtigkeit – Adam Quadronis Leben nach dem Baukartell» ausgestrahlt. Im Zentrum des Films steht der frühere Unterengadiner Bauunternehmer, welcher die Wettbewerbskommission über Absprachen zwischen Bündner Bauunternehmen informiert hat. Dafür, dass der Whistleblower das Baukartell hat auffliegen lassen, musste er geschäftlich und privat einen hohen Preis bezahlen. Die EP/PL hat immer wieder über den Fall berichtet.
Der frühere Scuoler Gemeindepräsident und heutige Richter am Regionalgericht Engiadina Bassa/Val Müstair, Not Carl, machte geltend, dass sich das Publikum durch den Film keine eigene Meinung im Sinne des Sachgerechtigkeitsgebotes habe bilden können. Dies treffe vor allem auf die Rolle von Regionalgerichtspräsident Orlando Zegg zu, welcher einseitig in ein schlechtes Licht gerückt worden sei.
Beim damaligen Ombudsmann von SRF, Roger Blum, blitzte Carl ab. Blum beurteilte den Film als sachgerecht. Zu einem ganz anderen Schluss kam die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI). In der detaillierten Urteilsbegründung vom vergangenen Dezember spart sie nicht mit Kritik am Dokumentarfilm und gibt Not Carl in den beanstandeten Punkten grundsätzlich Recht. So heisst es beispielsweise: «Der Film schreibt Orlando Zegg und der Judikative im Unterengadin eine massgebliche Rolle zu, dass der Whistleblower für seine Aufrichtigkeit ungerechtfertigt einen so hohen Preis bezahlt. Aufgrund dieser Kausalität und der Intensität der Vorwürfe stellen die betreffenden Sequenzen wesentliche Elemente im Film dar und haben entsprechend auch den Gesamteindruck geprägt. Das Publikum war deshalb nicht in der Lage, sich insgesamt eine eigene Meinung zu den im Film vermittelten Informationen im Sinne des Sachgerechtigkeitsgebots zu bilden.»
Mit 4:3 Stimmen fiel das Urteil knapp aus. Die unterlegenen UBI-Mitglieder argumentierten unter anderem, dass es sich um das Format einer Dokumentation und nicht um einen Beitrag im Rahmen einer Informationssendung handelt. Durch den Fokus des Films kommt den beanstandeten Sequenzen und Aussagen, welche zusammen nur wenige Minuten der rund 50-minütigen Dokumentation ausmachen, als Nebenschauplatz nur eine untergeordnete Rolle zu, welche den Gesamteindruck sowie die freie Meinungsbildung des Publikums zum ganzen Film, einem sehr persönlichen Portrait des Protagonisten Adam Quadroni, nicht zu beeinflussen vermögen.
Auf Anfrage der EP/PL bestätigte Carmen Heft, SRF-Mediensprecherin, dass das UBI-Urteil ans Bundesgericht weitergezogen worden ist. «Zum laufenden Verfahren gibt SRF keine Auskunft», sagt sie weiter.
Die detaillierte Urteilsbegründung gibt es auf
www.ubi.admin.ch (Entscheide)

Autor: Reto Stifel

Screenshot: Daniel Zaugg