17. Januar: Oberhalb von Klosters werden zwei Skifahrer von einer Lawine verschüttet. Ein Skifahrer kann nur noch tot geborgen werden. 5. Februar: Auf dem Gemeindegebiet von Celerina wird ein Snowboardfahrer von einer Lawine verschüttet und stirbt. 7. Februar: In Sedrun stürzt eine Berggängerin ab, sie wird mittelschwer verletzt. Drei tragische Ereignisse. Von allen wird in den Medien berichtet. Wie in solchen Fällen üblich, aufgrund einer Mitteilung, welche von der Kantonspolizei Graubünden verfasst und den Medien zugestellt wird.

Shitstorm auf Facebook

Die Kapo Graubünden veröffentlicht die Meldungen auch auf ihren Online-Kanälen und auf Social Media, primär auf Twitter und Facebook. Auf Facebook haben die drei eingangs geschilderten Fällen Shitstorms ausgelöst. Verschiede-ne Laien-Kommentatoren haben die Unfallopfer in ihren Posts als dumm bezeichnet, da sie abseits von gesicherten Pisten unterwegs gewesen wären. Eine Rettung zu organisieren, sei aus ihrer Sicht überflüssig gewesen, da die Unfallopfer selbst an ihrem Unglück schuld gewesen seien. Was Gegenreaktionen auslöste und am Schluss zu gegenseitigen primitiven Beschimpfungen unter den Beteiligten führte. Auch die Kapo Graubünden selbst kam unter Beschuss. Ihr wurde fehlendes Contentmanagement vorgeworfen, sie hätte viel schneller auf die Hasskommentare reagieren müssen, indem sie beispielsweise die Kommentarfunktion hätte deaktiviert sollen. Auch Patrick Gadeschi aus Maloja hat in einem Leserbrief in der heutigen EP/PL kein Verständnis für dieses «respektlose Social-Media-Bashing.» «Ich war entsetzt über die Respektlosigkeit, fehlende Empathie und Gefühlskälte, mit der die Artikel zum Unfall kommentiert wurden», schreibt er.

«Entwicklung bereitet uns Sorge»

Anita Senti ist Leiterin Kommunikation bei der Kantonspolizei Graubünden. «Die Entwicklung der Hasskommentare bereitet uns Sorgen», sagt sie auf Anfrage. Dass diese ein solches Ausmass annehmen würden, sei neu, festgestellt habe man das anhand der drei Wintersportunfälle. Gemäss Senti verfügt die Kantonspolizei sehr wohl über ein Contentmanagement. Nach der Aufschaltung eines Facebook-Posts überprüfe man, ob die Personen, die kommentieren, sich an die Netiquette (Verhaltensempfehlungen im Netz) halten würden. Sollten sich rassistische, beleidigende oder sexistische Kommentare darunter befinden, würde die Kapo diese verbergen. Reagiert hat die Kapo beim Post über das Lawinenunglück in Celerina: Er wurde gelöscht. «In diesem haben die hasserfüllten Kommentare ein solches Ausmass angenommen, dass wir jeden Zweiten hätten verbergen müssen. Zudem haben sich die Angehörigen bei uns gemeldet; sie waren fassungslos», sagt Senti.

Kapo hat reagiert

Bereits am 18. Januar hat die Kapo Graubünden an ihre Facebook-Community appelliert, mit Anstand zu kommentieren. «Wir nutzen Facebook, um für Euch Aktuelles, Wissenswertes oder Amüsantes zu kommunizieren. Doch Wolken ziehen auf ... denn bösartige Kommentare von Wutbürgern, Hatern (Hassbotschaftern) und solchen, die ihr Gesicht hinter einem Fake-Profil verstecken, häufen sich. Appell an diese: Behaltet dieses Zeugs einfach für euch, denn dort scheint es am richtigen Ort zu sein!», heisst es unter anderem. Für diesen Post hat die Kapo viel Zuspruch erhalten. Aufgrund der aktuellsten Ereignisse weiss Anita Senti, dass die Arbeit noch lange nicht abgeschlossen ist. «Gerade aktuell sind wir daran, unsere Social-Media-Strategie zu überprüfen, wir werden auf diese negative Entwicklung reagieren». Die Kommentarfunktion auf Facebook zu deaktivieren sei eine mögliche Massnahme, auf diesem Kanal aber eher unüblich. Überlegen könnte man sich beispielsweise, Unfallmeldungen gar nicht mehr auf Facebook zu posten und sich auf Lustiges, Wissenswertes und Spannendes aus dem Polizeialltag zu konzentrieren. Auf Twitter verbreitet die Kapo zu jeder Medienmitteilung eine Kurzinfo mit dem Link zur ganzen Mitteilung. Grössere Ereignisse, bei denen sich die Lage laufend verändert, werden ebenfalls auf diesem Kanal abgehandelt. Auf dem Instagram Account des Kantons publiziert die Kapo gemäss Senti regelmässig interessante Aspekte zum Polizeiberuf und animiert Followers über Storys beispielsweise an einem Quiz mitzumachen. Auf der App der Kapo schliesslich wird ebenfalls jede Medienmitteilung publiziert. Zudem Wissenswertes zur Ausbildung, die aktuelle Strassensituation und vieles mehr – analog zur Website. Auch der Bergunfall in Sedrun hat zu vielen Kommentaren auf dem Facebook-Account der Kantonspolizei Graubünden geführt. Diese sieht sich zunehmend mit Hasskommentaren konfrontiert und überdenkt ihre Social-Media-Strategie.

Autor: Reto Stifel

Foto: Screenshot EP/PL