Schöne neue Medienwelt. Mit dem Aufkommen der sozialen Medien hat sich der Stammtisch ins Netz verlagert. Zu Pandemiezeiten sowieso. Lange als Symbol der freien Meinungsäusserung gefeiert, zeigt sich schon länger die Kehrseite der Medaille: Wo jede und jeder seine Meinung loswerden und Missstände anprangern kann, sind Beleidigungen, Bedrohungen und Hass nicht weit. Blieben diese früher in der Stammtischrunde und waren im Normalfall mit dem letzten Schluck Bier wieder vergessen, erreichen die Botschaften heute ein ungleich grösseres Publikum und hinterlassen im Netz bleibende Spuren.
Am Donnerstag hat diese Zeitung am Beispiel von drei Wintersportunfällen über die Diskussionskultur auf dem Facebook-Account der Kantonspolizei Graubünden berichtet. Internet-Trolle äusserten sich despektierlich über das verantwortungslose Verhalten von Wintersportlern abseits der Piste. Es schaukelte sich eine Diskussion hoch, die in primitiven Beschimpfungen endete. Die Kapo löschte den Post. Solche Beiträge fliegen unter dem Radar der 35 000 Facebook-Mitarbeitenden, die dafür sorgen sollen, dass unerwünschte Inhalte entfernt werden. Vor allem, wenn diese direkt zu Hass und Gewalt aufrufen. Trotzdem sorgen solche Posts für viel seelischen Schmerz bei den Angehörigen, die einen lieben Menschen verloren haben.
Anders gelagert ist das Beispiel mit dem Diebstahl im Hoflädeli (Anm. der Redaktion, EP vom 13.2.) Bei allem Verständnis für die betroffenen Lädeli-Besitzer: Es darf nicht sein, dass Private Recht in die eigene Hand nehmen und eine Person über die sozialen Medien an den Pranger stellen. Zum einen gilt die Unschuldsvermutung, zum anderen ist es die Aufgabe der Behörden, Schuldige zu finden und allenfalls zur Rechenschaft zu ziehen.
Eines ist beiden Beispielen gemein: Auch wenn Netzwerke wie Twitter und Facebook rechtlich nicht für Inhalte verantwortlich sein wollen: Die sozialen Medien sind kein rechtsfreier Raum. Wer diese Kanäle bespielt, muss wissen, was er darf und was nicht. Und Unternehmen müssen in einer Social-Media-Strategie definieren, in welchen Netzwerken sie welche Inhalte verbreiten. Vor allem aber auch, wie sie das Contentmanagement – und die Kontrollfunktion ist unabdingbar – wahrnehmen.
Konkret: Ist es nötig, dass die Kapo Meldungen über Unfälle und Verbrechen auf Facebook postet und Gelangweilten und Frustrierten die Möglichkeit gibt, Dampf abzulassen? Nein. Solche Posts schaffen auf diesem Kanal keinen Mehrwert und verursachen nur Mehrarbeit.
Schöne neue Medienwelt: Soziale Netzwerke ermöglichen vieles, was das Leben angenehmer machen kann. Gerade in Pandemiezeiten. Sie verlangen aber auch nach einem respektvollen Umgang. Sonst werden sie rasch zu «unsozialen Medien».
reto.stifel@engdinerpost.ch

Autor: Reto Stifel

Foto: www.pixelio.de/Alexander Klaus