Hätte man sich mit der Abstimmungsprognose alleine auf die Leserbriefe und die Meinungsäusserungen in den Social-Media-Kanälen abgestützt, wäre es eine klare Angelegenheit gewesen: St. Moritz hätte als eine von weiteren rund 600 Gemeinden in der Schweiz das kommunale Ausländerstimmrecht eingeführt. Doch der Konjunktiv taugt in diesem Fall nicht: Die Vorlage ist mit einer Zweidrittelmehrheit bachab geschickt worden.
Es hätte gute Gründe gegeben, die Ausländerinnen und Ausländer mit Niederlassungsbewilligung auf kommunaler Ebene mitbestimmen zu lassen. Trotzdem kommt das Nein nicht überraschend. Zwei Gründe dürften – neben sachpolitischen Überlegungen – ausschlaggebend gewesen sein. Erstens ist ein Geschenkpaket geschnürt worden, welches eine Mehrheit der Beschenkten offenbar gar nicht wollte. Anders ist es nicht zu erklären, dass die, die vom Stimm- und Wahlrecht direkt profitiert hätten, in der Befürworterkampagne kaum zu hören waren.
Zweitens wurde die Pro-Kampagne mit der konzertierten Leserbriefaktion und den vielen Statements in den sozialen Medien überladen. Argumentiert wurde mit dem klassischen Schwarz-Weiss-Schema: Wer mit Ja stimmt, ist weltoffen und sorgt sich um die Anliegen der Ausländer. Derjenige, der den Umkehrschluss zieht, müsste folglich zur Erkenntnis kommen, dass die Gegner verschlossen sind und ihre ausländischen Mitbürger nicht wertschätzen. Oder zugespitzt formuliert: dass sie fremdenfeindlich sind. Diese Argumentation greift zu kurz. Da braucht es eine differenziertere Betrachtungsweise. Auch in der Abstimmungsbotschaft. Diese trug zu offensichtlich die Handschrift der Befürworter.
Mit dem klaren Resultat wird das kommunale Ausländerstimmrecht in St. Moritz für längere Zeit kein Thema mehr sein. Das soll aber weder Befürworter noch Gegner und schon gar nicht die ausländische Bevölkerung daran hindern, sich auf andere Art und Weise für eine gelungene Integration einzusetzen. Das beginnt bei der Anmeldung auf der Gemeinde, wo es umfassende Informationen zu diesem Thema braucht, geht über mögliche Integrationsförderprogramme bis hin zu gemeinsamen kulturellen Anlässen beispielsweise.
Wenn sich Ausländerinnen und Ausländer mit der Gemeinde identifizieren und sich aktiv engagieren, dann ist das ein Gewinn für alle. Das würde auch der grössere Teil der knapp 1000 Personen, die am Sonntag mit Nein gestimmt haben, unterschreiben. Das Stimm- und Wahlrecht wäre ein Puzzleteilchen dazu, bei weitem aber nicht das einzige.

Autor: Reto Stifel

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