Engadiner Post: Beat Schärer, der Entscheid des Schulrates Zernez, nicht an den Corona-Flächentests teilzunehmen, hat für viel Aufruhr gesorgt. Haben Sie das erwartet?
Beat Schärer*: Nicht in diesem Ausmass. Dass es Diskussionen geben würde, war uns klar. Wir wussten, dass der Entscheid nicht nur positiv aufgenommen wird.

Kritisiert wird ja primär die Begründung. Ist es angesichts von fast 600 000 Corona-Fällen in der Schweiz und knapp 10 000 Toten nicht zynisch, Corona-Tests mit der Zahnkontrolle zu vergleichen?
Leider ist dieses Zitat aus dem Zusammenhang gerissen worden. Ich habe darauf hingewiesen, dass die wöchentlichen Tests unverhältnismässig sind und man ja auch nicht jede Woche für gesunde Zähne zum Zahnarzt geht.

Trotzdem: Eine Corona-Pandemie lässt sich doch nicht mit der Gesundheit unserer Zähne vergleichen.
Dem stimme ich zu. Aber die Überlegungen des Schulrates nun alleine auf diese Aussage zu reduzieren, ist von den Medien so gewollt.

Ziel der Schultests ist es, den Präsenzunterricht zu sichern. Sie sagen, dass Corona-Tests nichts bringen würden. Auf welche Fakten stützen Sie dieses Argument?
Unsere Überlegung ist die, dass an gesunden Kindern unnütze wöchentliche Tests gemacht werden. Ein anderer Punkt ist der, dass, sollte je einmal ein Fall an der Schule auftreten, was bisher zum Glück nicht der Fall war, der vom Kanton vorgeschriebene Ablauf genau der gleiche ist. Ob man nun testet oder nicht. Auf den Präsenzunterricht haben die Testungen gar keinen Einfluss, auch wenn das immer wieder herbeigeredet wird.

Sie sprechen von unnützen Tests. Ich muss noch einmal fragen: Wie begründen Sie das mit fachlichen Argumenten?
Unnütz weil es nichts bringt, gesunde Kinder zu testen um herauszufinden, dass sie gesund sind..

... aber das ist ja gerade der Clou bei den Tests. Es gibt Leute, die völlig symptomfrei sind und dann doch positiv getestet werden. Die können isoliert werden und keine weiteren Personen anstecken.
Das mag schon stimmen. Aber wenn jemand krank ist und Symptome hat, bleibt er zu Hause, weil er krank ist. Gesunde Kinder, die das Virus trotzdem in sich tragen, werden es kaum in der Schule weiterverteilen, weil sie eben gesund sind. Etwas suchen, nur damit man es gesucht hat, das bezeichne ich als unnütz.

Herr Schärer, verharmlosen Sie Corona?
Nein, ich sehe die Auswirkungen durchaus. Vor ein paar Jahren hatten wir Grippewellen, die dazu geführt haben, dass halbe Klassen zu Hause bleiben mussten, nach einer oder zwei Wochen war das Ganze überstanden. Seit einem Jahr, seit Corona also, hatten wir keine solchen Vorfälle mehr an der Schule. Weil gewisse Massnahmen ergriffen worden sind, damit sich die Grippe nicht ausbreiten konnte.

Zum Beispiel das Tragen von Masken: Aber das bringt gemäss Ihnen ja auch nichts.
Richtig, ausser, dass Kinder zu wenig Sauerstoff im Blut haben. Bei den Massnahmen denke ich aber eher an die Abstandsregeln und daran, dass sich die Kinder auch sonst kaum mehr treffen dürfen. Zurück zu Ihrer Ausgangsfrage: Nein, ich verharmlose Corona nicht. Wer die Krankheit hat, den kann es unter Umständen sehr schwer treffen. Das war bei der Grippe früher übrigens auch der Fall. Aber es kann auch sein, dass gerade Kinder nur sehr milde Symptome entwickeln oder gar nichts merken.

Entschieden hat der Schulrat. Was sagt die Lehrerschaft?
Es gibt Lehrer, die sich diese Tests gewünscht hätten und sich auch selber hätten testen lassen. Andere wiederum haben sich dagegen ausgesprochen. Die, die jetzt gegen den Schulrat Stimmung machen sind die, die sich Tests gewünscht hätten. Aber es ist nichts so, dass von 15 Lehrern 12 für die Tests sind. Das Verhältnis ist ausgeglichener.

Die Argumente der Lehrerinnen und Lehrer wurden aber angehört?
Ja, es war eine sehr breite Diskussion, alle Argumente dafür und dagegen kamen auf den Tisch. Letztlich hat der Schulrat entschieden.

In einem Leserbrief kritisieren die Schulärzte von Zernez, dass Sie nicht miteinbezogen worden sind. Warum?
Ich stelle die Gegenfrage: Warum beschweren sich die Schulärzte über einen Leserbrief und kommen mit ihren Anliegen nicht direkt zum Schulrat? Für mich liegt da Kalkül dahinter, um über die Öffentlichkeit mehr Druck erzeugen zu können.

Der Schulrat war doch für seinen Entscheid auf fachliche Hilfe angewiesen. Da liegt der Gedanke ja nicht so fern, dass man sich an die Schulärzte wendet, die seit bald drei Jahrzehnten in Zernez wirken?
Für uns war das kein Thema.

Dann muss ich fragen, wie Sie sich fachlich abgesichert haben. Wer hat den Schulrat aus epidemiologischer Sicht beraten?
Wir haben im Schulrat keinen Wissenschaftler, dafür aber vernünftig denkende Menschen. Es braucht nicht für jeden Entscheid, den ein Schulrat fällt, wissenschaftlich begründete Argumente, obwohl das vor allem die Medien wünschen. Dort haben die Wissenschaftler im Moment sehr viel zu sagen, das ist gut für ihre Arbeit. Bekämen sie in der Öffentlichkeit weniger Raum, wäre das umgekehrt schlecht für sie.

Eltern fordern, dass Sie den Entscheid überdenken. Wird der Schulrat das machen?
Mit den vier Elternpaaren und einem Grosselternpaar, welche mit unserem Entscheid nicht einverstanden waren, standen wir in Kontakt, Eine Mutter hat den Gang an die Öffentlichkeit gesucht, dadurch wurde dieser Kontakt leider unterbrochen. Wir haben rund 160 Kinder an der Schule mit fast ebenso vielen Eltern. Der grosse Teil also akzeptiert unseren Entscheid. Und da stellt sich schon die Frage, ob wir wegen fünf Haushalten, die nicht zufrieden sind, darauf zurückkommen müssen. Die Antwort im Schulrat war klar: Nein, wir halten daran fest und ich bin überzeugt, dass wir richtig entschieden haben.

*Beat Schärer vertritt seit dem 1. Januar 2019 die Fraktion Brail im Gemeinderat von Zernez. Er ist dort für das Departement Bildung zuständig.

Autor: Reto Stifel

Foto: z. Vfg