Es war eine Medienmitteilung, wie man sie in solchen Fällen immer liest. Ein Unternehmen gibt den Abgang seines CEOs aufgrund «unterschiedlicher Auffassung über die strategische und organisatorische Weiterentwicklung» bekannt, bedankt sich bei der Person für den «grossen Einsatz und die Weiterentwicklung der Organisation» und wünscht alles Gute für die weitere berufliche und persönliche Zukunft. So geschehen beim Abgang von CEO Tina Boetsch nach nur acht Monaten bei der Tourismusorganisation Engadin St. Moritz Anfang Oktober. Und so passiert es nun wieder beim CEO der Stiftung Gesundheitsversorgung Oberengadin (SGO), Beat Moll. 

Anfang Dezember wurde sein Abgang kommuniziert, vier Wochen später hat in seinem Büro bereits der Nachfolger, Christoph Jäggi, Platz genommen. Das wirft Fragen auf. Vor allem dann, wenn es Organisationen wie die ESTM AG und die SGO sind, die nicht unwesentlich von der öffentlichen Hand mitfinanziert werden. Eben erst haben die Oberengadiner Gemeinden entschieden, die Beitragspauschale für die ungedeckten Kosten der SGO ab dem kommenden Jahr und bis 2025 um 80 Prozent auf 2,75 Millionen Franken pro Jahr zu erhöhen, damit das bisherige Leistungsspektrum beibehalten werden kann. 

Die SGO ist eine privatrechtliche Stiftung mit dem Stiftungsrat (je eine Vertretung aus den Gemeindevorständen der elf Gemeinden) als oberstes Organ, einem sechsköpfigen Verwaltungsrat und einer Geschäftsleitung. Unter dem Dach der SGO sind das Spital Oberengadin, das Pflegeheim Promulins, die Spitex sowie die Beratungsstelle Alter und Pflege zusammengefasst.

 

«Betrieb ist gewährleistet»

Warum aber hat Beat Moll die SGO so schnell verlassen, kurz vor dem Start in die intensive Wintersaison? Und in einem Umfeld, welches sich wegen der Corona-Pandemie und den grossen Bauarbeiten beim Spital, aber auch beim Pflegeheim Promulins als äusserst herausfordernd erweist? Auf Anfrage betont Verwaltungsratspräsidentin Gabriela Maria Payer das, was bereits in der Medienmitteilung stand. «Wir haben uns im gegenseitigen Einvernehmen getrennt und eine geordnete Übergabe vereinbart, welche in der Zwischenzeit auch erfolgt ist.» Der Entscheid, die dreijährige Zusammenarbeit zu beenden, ist gemäss Payer von verschiedenen Personen gemeinsam getroffen worden, dies nach einer detaillierten Risikoabwägung. «Wir haben sehr viele gute Leute am Spital, alle Aufgaben werden weiterhin so wahrgenommen, dass ein bestens funktionierender Betrieb gewährleistet ist», sagt sie.

Nachfolger von Beat Moll ist Christoph Jäggi. Er ist Unternehmensberater mit Spezialgebiet Gesundheitswesen und unter anderem Co-Gründer von comentum, einem Unternehmen mit Sitz in Zürich und Stockholm, welches auf Veränderungs- und Innovationsmanagement im Gesundheitswesen spezialisiert ist. Was aber bedeutet das für das Spital? Wird nun ein Unternehmensberater den Betrieb mit seinen rund 500 Mitarbeitenden von Zürich aus managen? «Nein», winkt Payer ab. «Christoph Jäggi ist nicht nur ein ausgewiesener Gesundheitsfachmann, sondern auch eine sehr fähige Führungspersönlichkeit. Er nimmt seinen Job als CEO vor Ort wahr.» Allerdings nur ad interim während sechs bis neun Monaten. «Damit bleibt dem Verwaltungsrat genügend Zeit für die Regelung der definitiven Nachfolge für Beat Moll», ergänzt sie. 

 

Keine Auskunft zu finnaziellen Konsequenzen

Über genügend Arbeit wird sich der Übergangs-CEO nicht beklagen können. Neben der Corona-Pandemie mit all ihren Auswirkungen und den Bauarbeiten warten weitere grosse Herausforderungen im Schweizerischen Gesundheitswesen, welche wegen der Pandemie etwas in den Hintergrund gerückt sind, aber gerade für peripher gelegene, kleinere Spitäler finanzielle Konsequenzen haben. 

Was der Abgang von Beat Moll und die Neuanstellung von Christoph Jäggi kostet, will die Verwaltungsratspräsidentin nicht sagen, zu den Anstellungsbedingungen einzelner Mitarbeiter gebe man keine Auskünfte. Dass es beim Übergang von Moll zu Jäggi zu gewissen Doppelspurigkeiten bei den Gehaltszahlungen kommt, will sie nicht abstreiten. «Diese Überlappung bewegt sich aber in einem vernünftigen Mass.»

Der Präsident des Stiftungsrates, Christian Brantschen, verweist auf Anfrage auf die SGO-Statuten, gemäss derer die Ernennung und Abberufung der mit der Geschäftsführung betrauten Personen in die Kompetenz des Verwaltungsrates fallen. «Als strategisches Gremium mischen wir uns nicht in das operative Geschäft ein», sagt er. Die Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsrat klappe aber sehr gut und der Stiftungsrat werde über die aktuellen Entwicklungen laufend orientiert. 

 

Moll: «Unterschiedliche Auffassung betreffend Ausrichtung»

Der bisherige CEO Beat Moll bestätigt auf Anfrage, dass die Trennung im gegenseitigen Einvernehmen erfolgte. «Die Gründe liegen in der unterschiedlichen Auffassung betreffend Ausrichtung und somit auch der Prioritäten beim Projektportfolio zwischen dem Verwaltungsrat und mir. Die Zusammenarbeit ist so nicht einfach und wir haben nach einer Lösung gesucht und sind übereingekommen, den Vertrag aufzulösen», sagt Moll. Er blicke auf drei schöne Jahre im Engadin zurück und habe gemeinsam mit den Mitarbeitenden viel erreicht. «Diese Erinnerungen werden bleiben.»

Autor: Reto Stifel

Foto: Daniel Martinek, Spital Oberengadin