Es ist das Stelldichein der Schweizer Medienszene, die sich jeweils im Frühjahr zur Verleihung des Swiss Press Award, dem höchstdotierten, viersprachigen Medienpreis der Schweiz in Bern trifft. Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause, konnte das Treffen am letzten Mittwoch wieder einmal vor Ort und mit Publikum stattfinden. Rund 200 Personen verfolgten den Anlass, darunter auch Bundesrat Guy Parmelin. Für den Swiss Press Award wird jeweils ein Musiker oder eine Musikerin beauftragt, einen Song zu schreiben, in diesem Jahr war es Pascal Gamboni aus dem Bündner Oberland mit seinem rätoromanischen Lied «in eroplan.»

Die Redaktion der EP/PL war für ihre Geschichte mit dem Titel «Die Tatwaffe, die Karteikarten und die Folgen», erschienen vor einem Jahr, von der fünfköpfigen Jury für den Swiss Press Award in der Kategorie Local nominiert worden, hatte es also unter allen Einsendungen unter die letzten Drei geschafft (EP vom 16. April). Der dritte Rang war es denn auch in der Endabrechnung. Auch wenn es nicht zum Sieg gereicht hat, alleine die Nomination war für die EP/PL als kleine, unabhängige Lokalzeitung ein grosser Erfolg.

 

Kleine Zeitung – grosse Arbeit

Die Unterengadiner Journalistin Fadrina Hofmann ist Teil der fünfköpfigen Jury für die Kategorie Local. «Dass sich die Redaktion einer kleinen Zeitung aufgrund einer Publikation einem Thema so vertieft widmet, hat uns sehr gefallen», sagt sie. Zumal es sich um ein brisantes Thema aus der Vergangenheit handle, das für eine touristische Region sehr wichtig sei. «Die Jury war sich auch bewusst, wie schwierig es ist, neben dem Daily Business Zeit zu finden für eine so grosse Arbeit», ergänzt sie. 

Lois Hechenblaikner, der Initiator und Mitherausgeber des Buches, auf dem die für den Swiss Press Award eingereichte Artikelserie basiert, verfolgte die Preisverleihung per Livestream und freute sich für die Redaktion der EP/PL über die Nominierung und den dritten Rang. «Die vielschichtige Beleuchtung dieses geschichtsträchtigen Themas, die journalistische Gewissenhaftigkeit mit der die Redaktion an die Geschichte dran gegangen ist und der journalistische Ethos, der dabei gewahrt wurde, ist für mich beispiellos», sagt er.

 

Video-Reportage gewinnt

Ein Blick auf die Liste der Nominierten in den sechs Kategorien «Text», «Online», «Audio, «Video» «Local» und «Foto» zeigt, dass die meisten Journalistinnen und Journalisten für eines der grossen Medienhäuser oder für das Schweizer Fernsehen oder Radio arbeiten. Sehr viele Beiträge in diesem Jahr waren aus der französischsprachigen Schweiz eingereicht worden. So auch der Sieger in der Kategorie «Local», Simon Gabioud, er ist für Radiotelevison Suisse Romand und «Le Temps» tätig. Gabioud hat mit viel Feingefühl eine Video-Reportage gedreht, mit dem Titel «Eine Schweiz in zwei Epochen: Die Saisonnierunterkünfte des Bois-des-Frères.» In diesen Wohntürmen in Genf, dort wo früher Saisonniers zu viert zusammengepfercht in einem kleinen Zimmer hausten, leben heute rund 100 alleinstehende Männer in alten Wohnungen ohne Komfort – denn günstiger Wohnraum ist auch in Genf rar.

 

Ausgezeichneter Lokaljournalismus

Dass auch im Lokaljournalismus bei einer sehr kleinen Zeitung ausgezeichneter Journalismus möglich ist, zeigte Mattias Greuter, von der Wochenzeitung «Schaffhauser AZ» mit seiner Artikelserie über ein Pflegeheim, in welchem offenkundig Missstände herrschen. Die Behörde will das lange nicht wahrhaben, schaut weg, Greuter aber bleibt am Thema dran. In der Zwischenzeit ist das Pflegeheim geschlossen, die ehemalige Chefin kam in Untersuchungshaft, die Staatsanwaltschaft ermittelt, eine nachträgliche Untersuchung soll für Aufklärung sorgen. «Erschreckend schlecht geschrieben», sagte der zuständige Regierungsrat gegenüber der Gesundheitsdirektion zu einem Artikel von Greuter. Dies, noch bevor die Behörde dann doch aktiv wurde. Dies ist zugleich auch der Titel des Swiss Press Award Book, in welchem sämtliche Beiträge aufgeführt sind.

«Mattias Greuters Serie über das Pflegeheim zeigt: Setzt sie die Mittel gezielt ein, recherchiert engagiert, zeigt mutig Probleme auf, dann erreicht auch eine kleine Lokalzeitung viel und trägt so auf ihrem heimischen Terrain bei zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit», sagte Jurypräsident Fredy Gsteiger in seiner Laudatio. Greuters Serie erreichte in der Kategorie «Text» den ersten Rang, zudem wurde er als Swiss Press Journalist of the Year ausgezeichnet. Der Swiss Press Award wird seit 1986 von der Fondation Reinhardt von Graffenried vergeben. Mit einer Preissumme von insgesamt 145 000 Franken handelt es sich um den höchstdotierten Schweizer Medienpreis. 

Parmelin: Zeitung und Gipfeli

Bundesrat Guy Parmelin outete sich in seiner Ansprache als grosser Medienkonsument auf allen Kanälen. «Die gedruckte Zeitung hat für mich aber immer noch einen besonderen Wert.» Diese bei Kaffee und einem Gipfeli zu lesen, ist immer wieder ein schöner Moment.» Er gab den anwesenden Journalistinnen und Journalisten drei Ratschläge mit auf den Weg : «Erstens: Arbeiten sie sorgfältig und gehen sie mit Informationen vertrauensvoll um. Zweitens: Fragen sie nach, wenn etwas unklar ist.» Und drittens: «Seien sie selbstkritisch und geben sie auch mal Fehler zu». Insgesamt stellte er den Medien aber ein gutes Zeugnis aus und er betonte, den Stellenwert eines seriösen und möglichst objektiven Journalismus, im Wissen, dass die Medienlogik oft eine andere sei als jene der Regierung. Den anwesenden Preisträgern gratulierte er und er ermunterte sie, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen.

Autor: Reto Stifel

Foto: Daniel Zaugg

Hier geht es zum Bewerbungsvideo der EP/PL für den Medienpreis 2022.