«Jetzt wieder Sachpolitik» hat der Titel des Kommentars vor vier Jahren in dieser Zeitung gelautet. Dies nach den St. Moritzer Behördenwahlen 2018. Ein Titel, der auch über dem heutigen Kommentar stehen könnte. Schon die Wahl des Gemeindepräsidenten im Juni war mit viel Polemik verbunden. Was jetzt aber die FDP bietet, ist ein trauriges Schauspiel. Da zerfleischen sich öffentlich Exponentinnen und Exponenten einer Partei, die in der zu Ende gehenden Legislatur im Gemeinderat immerhin stärkste Fraktion war. 

Die Nominationen für die Behördenwahlen im September sind bekannt. Bekannt ist auch, dass in der kommenden Legislatur viele wichtige Sachgeschäfte auf der Traktandenliste stehen. Alterszentrum, Schulhaus, Ortsplanungsrevision, um nur wenige Beispiele zu nennen. Und mit diesem Wissen bleibt ein ungutes Gefühl.

Erstens muss man sich fragen, wie sich die FDP auf diese Sachgeschäfte fokussieren will, wenn sie primär mit sich selber beschäftigt ist. Fraglich ist auch, was von der Mitte-Partei kommt. Der Wahlkampf ums Gemeindepräsidium, in dem sie vor allem gegen Christian Jott Jenny geschossen hatte, war schwach. Dass die Partei nun wieder Jenny als Grund vorschiebt, nicht selber in der Exekutive Verantwortung übernehmen zu müssen, ist es auch.

Die Gunst der Stunde genutzt hat die Gruppierung next generation. Mit acht Mitgliedern im Gemeinderat wird sie mit Abstand stärkste Fraktion. Sechs dieser acht Gemeinderäte verfügen über keine politische Erfahrung. Insgesamt wird im Rat eine Mehrheit sitzen, die mit den politischen Abläufen wenig vertraut ist. Auch mit diesem Wissen bleibt kein gutes Gefühl. 

Grund drei: Das St. Moritzer Parlament ist kein gewähltes sondern ein «vorgeschlagenes». Wer wollte konnte Gemeinderat werden, dies ohne sich die Wählenden stellen zu müssen. Die Möglichkeit der stillen Wahl ist mit der Revision der Gemeindeverfassung zwar ausdrücklich ermöglicht worden. Trotzdem: Ein ungutes Gefühl bleibt. 

reto.stifel@engadinerpost.ch

Autor: Reto Stifel