Dass bei der lokalen FDP St. Moritz nicht alles zum Besten bestellt ist, war in den letzten Jahren immer wieder zu hören. Uneinigkeit herrschte beispielsweise diesen Frühling, als entschieden werden musste, ob die Partei die Kandidatur des bisherigen Gemeindepräsidenten Christian Jott Jenny unterstützt. Nun ist die Situation offenbar eskaliert. Anlässlich des Besetzerabends der Partei wurde entschieden, dass die FDP mit den beiden Bisherigen Regula Degiacomi und Michael Pfäffli ins Rennen steigt, plus dem Hotelier Christoph Schlatter. Ein Dreierticket also. Nur: In einer Medienmitteilung vom Montagnachmittag standen plötzlich nur noch die beiden Bisherigen auf der Kandidatenliste. Was war geschehen? Gemeinderätin Prisca Anand schaffte es in der parteiinternen Ausmarchung nicht auf das Ticket. Sie entschied sich zur Kandidatur als Unabhängige, ihr folgte Schlatter. «Für mich war von anfang an klar, zusammen mit Prisca Anand zu kandidieren», sagt er auf Anfrage. Wäre er nun zusammen mit Degiacomi und Pfäffli auf dem gleichen Wahlplakat gewesen, hätte er seine politische Meinung so anpassen müssen, dass das für ihn nicht mehr vertretbar gewesen wäre, so Schlatter weiter.

In einer gemeinsamen Medienmitteilung werfen Anand und Schlatter den zwei bisherigen Gemeindevorständen vor, dass es an Diskussionskultur gemangelt und der Respekt vor unterschiedlichen Meinungen gefehlt habe. Die letzten Jahre seien geprägt gewesen von einer schwierigen Zusammenarbeit zwischen der Fraktion und den beiden Gemeindevorständen. Die Infrastruktur- und Planungsvorhaben müssten in der Politik und der Bevölkerung Mehrheiten finden. «Das geht nur, wenn im Vorstand Personen arbeiten, die auf andere hören wollen und so Mehrheiten für diese Vorhaben schaffen», wird Schlatter in der Mitteilung zitiert. Als Negativ-Beispiele nennt er das Bildungszentrum Grevas oder die Revision der Gemeindeverfassung. Prisca Anand ergänzt, dass die St. Moritzer mit der Wiederwahl von Gemeindepräsident Christian Jott Jenny gezeigt hätten, dass sie neuen Idee in der Politik eine Chance geben wollen. «Wir sind beide Unternehmer und haben die politische Erfahrung, solche Ideen einzubringen, sie zur Abstimmungsreife zu bringen und umzusetzen», sagt Anand.

 

Oft der gleichen Meinung

Für Gemeindevorstand Michael Pfäffli entsprechen diese Vorwürfe nicht der Tatsache. Ihm sei im Vorstand, in den Kommissionen aber auch seitens der Mitarbeitenden in seinem Departement immer eine offene, rücksichtsvolle und konstruktive Arbeitsweise und ein entsprechender persönlicher Umgang attestiert worden. Bezüglich der Zusammenarbeit zwischen dem Gemeindevorstand und der Fraktion seien die Meinungen von Fraktionsmehrheit und den Vorständen bei den allermeisten Legislaturgeschäften deckungsgleich gewesen. Mit Ausnahme der Diskussionen um den Schulhaus-Standort Grevas und bei der Revision der Gemeindeverfassung. Im zweiten Punkt hätten er und Degiacomi sich gegen ein Geschäftsleitungsmodell gewehrt. Zurecht, wie der Zwischenbericht zur Organisationsanalyse aufzeige. Beim Schulhausstandort habe die Fraktion richtig gehandelt, indem sie auf zusätzlichen Abklärungen bestanden habe.

 

«Nicht stichhaltige Vorwürfe»

Regula Degiacomi sagt auf Anfrage, dass sie von den Vorwürfen zum ersten Mal höre und diese für sie nicht stichhaltig seien. «Wo immer ich tätig war, habe ich viel Wertschätzung erfahren dürfen», sagt sie. Die Zusammenarbeit mit den Vorstandskollegen und den Mitarbeitenden der Gemeinde erlebe sie als sehr konstruktiv und lösungsorientiert. Auch den Vorwurf bezüglich des Führungsstils und der mangelnden Zusammenarbeit mit der Fraktion will sie nicht gelten lassen. «In den Fraktionssitzungen sind wir Gäste und haben keine Führungsfunktion. Bezüglich den zwei konkreten Beispielen mit dem Schulhaus Grevas und der Gemeindeverfassung teilt sie die Ausführungen von Michael Pfäffli. «Dass der Gemeinderat zum Bildungszentrum Grevas zusätzliche Abklärungen durch unabhängige Experten wünscht, habe ich als Departementsvorsteherin zu akzeptieren», ergänzt sie.

 

Idee war ein Dreierticket

Wie aber ist das Nominationsverfahren abgelaufen? Gemäss Schlatter und Anand hat sich die FDP-Ortsgruppe gegen den klaren Widerstand der Fraktion entschieden, die beiden bisherigen Gemeindevorstände erneut zur Wahl zu nominieren. Darauf hätten sie die Konsequenzen gezogen und entschieden, die Zusammenarbeit mit der Ortsgruppe auszusetzen und als Unabhängige zu kandidieren. Gemäss einem Mailausschnitt, welcher dieser Zeitung vorliegt, wurde von einem FDP-Gemeinderat zuhanden des Besetzerabends der Antrag gestellt, mit einem Dreierticket zur Wahl anzutreten. Diesem Antrag wurde gemäss Pfäffli von allen Anwesenden zugestimmt, auch der Regel, dass die Entscheide des Besetzerabends für alle Interessenten an einem Vorstandssitz verbindlich sind. Dass dies nun nicht der Fall ist, zeugt gemäss Pfäffli von mangelndem Demokratieverständnis. Während die Wahlen in den Gemeindevorstand also Spannung versprechen, gibt es für den Gemeinderat nicht einmal eine Wahl. Weil es genau so viele Kandidierende hat wie Sitze zu vergeben sind, sind diese bereits «gewählt».

Autor: Reto Stifel

Fotos: z.Vfg und Daniel Zaugg