Ein kleines Bächlein, an den meisten Stellen kaum breiter als zwei Meter, schlängelt sich durch die Wiese Isla Glischa zwischen Samedan und Bever. Auf den ersten Blick ein Idyll. Aber eben nur auf den ersten Blick. Denn auch, wenn man es nicht sofort sieht, machen dem Gewässer Defizite zu schaffen. Will heissen, die Bachsohle weist praktisch keine Struktur auf, das Wasser fliesst also überall mit der gleichen Geschwindigkeit. Und der Uferbereich ist vegetationslos, es fehlen Büsche und Sträucher. Diese könnten den Bachforellen Schatten und Verstecke bieten. Dieser fehlende Schutz ist mit der Rückkehr der Fischotter und Graureiher zunehmend zum Problem geworden. «Den Prädatoren werden die Fische praktisch auf dem Silbertablett präsentiert. Sie müssen sich nur bedienen», sagte Hauptfischereiaufseher Linard Jäger kürzlich an einem Hegetag, welcher – als Novum – von der Societed da chatscheders Engiadin‘ota und dem Fischereiverein Oberengadin gemeinsam organisiert worden ist.
Hat Linard Jäger in früheren Jahren in diesem Gewässerabschnitt beim Laichfischfang zwischen 120 und 160 Weibchen gefangen, abgestreift und wieder ins Gewässer ausgesetzt, waren es vor zwei Jahren gerade noch 16 Stück. Seither ist für Jäger der Saxbach in diesem Teil für den Laichfischfang tabu. «Ich will nicht alles abschöpfen, sonst findet gar keine Naturverlai­chung mehr statt.»
Für die natürliche Fortpflanzung müssen die Forellen ihre Eier idealerweise auf kiesigem Untergrund ablegen können. Doch aufgrund der fehlenden Strömungsvariabilität verschlammt der 
Untergrund zusehends. Bereits in der Woche vor dem Hegetag wurden Wurzelstöcke in den Bach gelegt. Diese bieten den Fischen nicht nur gute Verstecke, sondern sorgen auch dafür, dass es zu Engstellen kommt, das Wasser dadurch schneller fliesst, den Schlamm wegschwemmt und Kiesflächen freilegt. «Bereits wenige Tage nach dem Einsetzen der Wurzelstöcke sind wieder mehr Kiesflächen zu sehen», freut sich Jäger.
Über 60 Fischerinnen und Jäger haben am Hegetag teilgenommen. Sie haben Weiden geschnitten und sie entlang des Ufer angepflanzt, im Bach kleine Buhnen gebaut, das Gewässer gesäubert, eine alte, nicht mehr gebrauchte Hütte abgerissen und vieles mehr. Unter den Teilnehmenden befanden sich auch viele Kandidatinnen und Kandidaten, die später die Jagdprüfung ablegen wollen. Sie müssen im Vorfeld der Prüfung eine gewisse Anzahl an Hegestunden leisten. Wobei ein «Müssen» an diesem Samstag nicht festzustellen war, alle waren mit grossem Einsatz bei der Arbeit dabei. «Auch wenn ich selber kein Fischer bin, sehe ich, dass die Arbeit, die wir hier machen, der ganzen Natur zugute kommt», sagte einer der Jägerkandidaten. Für eine junge, angehende Jägerin geht es letztlich um ein Geben und Nehmen. «Was ich der Natur mit dem Abschuss eines Tieres entnehme, gebe ich ihr mit diesem Hegeinsatz auf eine andere Art und Weise wieder zurück.»
Begeistert von diesem gemeinsamen Hegetag zeigte sich auch Radi Hofstetter, er ist Präsident des kantonalen Fischereiverbandes Graubünden und reiste an diesem Tag ins Engadin, um sich ein Bild vor Ort machen zu können. «Eine Zusammenarbeit zwischen Fischern und Jägern sehe ich in dieser Form zum ersten Mal, ich finde das super. Das ist eine Lebensraumaufwertung, die letztlich allen dient.»
Für Linard Jäger ist es eine der zentralen Botschaften, die er mit dem gemeinsamen Hegetag vermitteln wollte. «Auch wenn wir heute vorwiegend an Gewässern gearbeitet haben, geht es nicht nur um die Fische. Wenn wir Weiden pflanzen, ist das auch gut für die Insekten, die Vögel, die Amphibien oder auch kleine Säugetiere.» Gerade kleine Gewässer wie der Saxbach würden bei Revitalisierungen oft vergessen gehen, dabei seien sie sehr wichtig. Denn dort gingen die Fische zum Laichen, weil sie mehr Nahrung fänden und auch besseren Schutz vor Hochwassern, wie sie in grossen Gewässern immer wieder vorkommen könnten. Noch wird es vier bis fünf Jahre dauern, bis die am Hegetag ausgeführten Arbeiten in Form stattlicher Weiden sichtbar werden. Doch die Revitalisierungsarbeiten dürften schon früher Früchte tragen. «Es braucht nicht immer Millionen von Franken für Revitalisierungen. Man kann auch im Kleinen etwas Gutes tun», bilanziert Jäger am Schluss des Hegetages.

Autor und Fotos: Reto Stifel