2017 hat sich die Schweiz zusam­men mit fast 200 anderen Staaten verpflichtet, den Ausstoss von Treibhausgasen zu reduzieren. Konkret: Die Emissio­nen müssen bis 2050 auf netto null sinken, mit dem Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen. Dieses sogenannte Pariser Klimaabkommen ist nicht einfach ein Stück Papier, welches je nach Gutdünken ausgelegt werden kann. Es handelt sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, welcher die Staaten, die das Abkommen ratifiziert haben, verpflichtet, die gesetzten Ziele zu erreichen.

Kein Wollen, ein Müssen
Vor diesem Hintergrund erstaunt die sehr emotional, teils aggressiv geführte Debatte zum Klimaschutzgesetz, welches am 18. Juni in der Schweiz zur Abstimmung kommt. Wir müssen das Netto-Null-Ziel bis 2050 erreichen. Dieser politische Entscheid ist bereits vor sechs Jahren gefallen, mit der Unterschrift der Schweiz unter das Klimaabkommen. Die Frage ist nur, wie wir dieses Ziel erreichen können?
Ein erster Anlauf mit dem CO2-Gesetz ist vor zwei Jahren an der Urne gescheitert. Eine knappe Mehrheit der Abstimmenden wollte nicht, dass Autofahren und Fliegen über eine Lenkungsabgabe teurer werden. Das Gesetz, über welches in einer Woche abgestimmt wird, will die Fehler des bisherigen Gesetzes vermeiden. Statt über ein Gesetz Verbote zu erlassen oder Abgaben zu erheben, sollen 
Anreize geschaffen werden, die finan­ziell belohnt werden. Wer beispielsweise auf klimafreundliche Heizsysteme umsteigt, soll dafür unterstützt werden. Auch der Ausbau von Fernwärme­netzen oder die bessere Isolation von Gebäuden werden gefördert.

Neue Technologien sind effizienter
Was kann daran falsch sein? Vieles, wenn man die Argumente der Gegner liest. Diese befürchten den finanziel­len Kollaps der Staatskasse, orakeln, dass sich Normalverdienende in Zukunft Strom nicht mehr leisten können und sehen die Stromversorgung zusammenbrechen. Zum Energieverbrauch: Richtig ist, dass dieser heute zu 60 Prozent über fossile Energie­träger erfolgt. Wenn nun, wie die Gegner des Gesetzes behaupten, diese 60 Prozent in Zukunft vollumfänglich durch Strom ersetzt werden müssen, ist dieses Argument schlicht falsch. Ersatztechnologien wie beispielsweise Wärmepumpen arbeiten viel effizienter und verbrauchen dadurch deutlich weniger Strom. So muss nur ein Teil der fossilen Energie ersetzt werden.

Nichts tun wird teurer
Zu den Kosten: Ja, Klimaschutz kostet. Aber nichts zu tun, kostet noch viel mehr. Die Klimaerwärmung ist ein Fakt, die sich daraus ergebenden Folgen ebenfalls. Bergstürze, Murgänge, Überschwemmungen oder am Ende der Skala Hitzewellen und Dürreperioden. Im Rahmen der langfristigen Klimastrategie des Bundes wurde eine Kosten-Nutzen-Analyse gemacht. Diese kommt zu dem Schluss, dass, wenn nichts für den Klimaschutz unternommen wird, Kosten von 38 Milliarden Franken für präventive Massnahmen oder die Bewältigung von Schadensereignis­sen anfallen werden. Kurz: Die volkswirtschaftlichen Kosten für den Klimaschutz sind deutlich tiefer als die Folgekosten eines ungebremsten Klimawandels.

Ein Kompromiss, aber nicht zahnlos
Das Klimaschutzgesetz ist ein indirekter Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative. Diese wollte den Verbrauch fossiler Energieträger wie Öl und Gas ab 2050 komplett verbieten. Der Gegenvorschlag, über den nun abstimmt wird, ist da viel moderater. Er verbietet Öl und Gas nicht, will aber einen weitestgehenden Verzicht. Auch fördert das Klimaschutzgesetz explizit neue Technologien zur Reduktion von Treibhausgasen.
Ohne Wenn und Aber: Das Klimaschutzgesetz ist eine Kompromissvorlage. Es ist deswegen aber nicht zahnlos. Das Gesetz orientiert sich am politisch Machbaren. Es gibt einen Rahmen vor, setzt auf Anreize, beinhaltet aber auch klare Zielsetzungen in Zehn-Jahres-Schritten. Der Bundesrat wird mit dem Gesetz verpflichtet, Massnahmen vorzu­schlagen, damit die hochgesteckten Ziele auch erreicht werden können. Und da gilt es für die Befürworter, auch klaren Wein einzuschenken: Mögliche Massnah­men wären Lenkungsabgaben, Steuern oder Verbote. Dies kann unter Umständen schmerzhaft für jeden Einzelnen werden. Aber kostenlos ist die Welt nun mal nicht zu retten.

Energieverbrauch senken
Einer Sache muss man sich auch bewusst sein: Ein Klimaschutzgesetz alleine wird es nicht richten. Auch bei einer Annahme stehen wir als Gesellschaft weiterhin stark in der Pflicht, unseren astronomisch hohen Energiebedarf nicht nur kritisch zu hinterfragen, sondern auch nachhaltig zu reduzieren. Auch im Wissen, dass die aktuelle Entwicklung genau in die andere Richtung läuft.
So gesehen ist ein Ja zur Vorlage am 18. Juni nur einer kleiner, aber wichtiger Schritt. Denn der Klimaschutz kann und darf nicht weiter aufgeschoben werden.

Autor: Reto Stifel

r.stifel@engadinerpost.ch