Es geht nicht um die Frage, ob Moncler in St. Moritz eine Modenschau durchführen darf und dafür ein exklusives Publikum einlädt. Selbstverständlich sollen sie das machen. Moncler ist ein italienisches Luxuslabel und St. Moritz wirbt seit vielen Jahren mit dem Claim Top of the world. Wo, wenn nicht hier, sollen Stars und Sternchen und ein nobles Publikum eine solche Show besuchen?

Wenn aber für einen zweistündigen Event über viele Tage unzählige Helikopterflüge für den Materialtransport nötig sind, wenn auf öffentlichem Grund in einem Waldstück temporäre Bauten erstellt und mit Strom und Wasser erschlossen werden müssen und wenn dieses Waldstück mit Scheinwerfern ausgeleuchtet, mit Musik beschallt und mit einer Schneekanone beschneit wird, dann ist das unsinnig und zeugt von fehlender Sensibilität. Fehlender Sensibilität gegenüber der Natur im Allgemeinen und dem Wild im Speziellen, welches über Wochen einen wichtigen Winter-Rückzugsort verliert.

Dass sich der Gemeindevorstand bei der Erteilung der Bewilligung über eine klare Empfehlung der Fachleute vom Amt für Jagd und Fischerei, nämlich den Anlass nicht zu bewilligen, hinwegsetzt, ist unverständlich. Strenge Auflagen hin oder her. Dass in Statements von Seiten der Gemeinde und des Tourismus der Pioniergeist und die touristische Wertschöpfung einer solchen Veranstaltung beschworen werden, ist Schönfärberei. Was soll an einem solchen Anlass pionierhaft sein? Und die touristische Wertschöpfung mag kurzfristig für Wenige anfallen, hat aber sicher keine längerfristige, nachhaltige Wirkung.

Darum ist auch das Argument, ein solcher Anlass entspreche der erst kürzlich verabschiedeten Tourismusstrategie, nicht nachvollziehbar. In dieser steht unter anderem, dass ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltige Tourismusformen gefördert werden sollen.

Der VR-Präsident der Tourismus AG präzisierte das in einem Interview in dieser Zeitung unter anderem damit, dass Events Mehrwert für alle schaffen sollen. Dass Anlässe unterstützt werden, die sich langfristig weiterentwickeln und in St. Moritz etablieren können. Oder dass es gilt, mit der Natur verantwortungsvoll umzugehen. Das ist alles nachvollziehbar und lobenswert – steht aber in komplettem Widerspruch zum Moncler-Anlass. Es hätte definitiv genügend andere Standorte für diese Show gegeben, ohne dafür ein weitgehend unberührtes Waldstück zu bespielen.

Es wird immer ein Balanceakt sein abzuwägen, wann die touristische Relevanz eines extravaganten Anlasses gerade noch gegeben ist und wann rote Linien überschritten werden. Bei der Moncler-Modenschau war der Sachverhalt eindeutig. Diese hätte an diesem Standort nicht bewilligt werden sollen. Der Gemeindevorstand und die Tourismusverantwortlichen haben bei ihrem Entscheid jegliche Sensibilität vermissen lassen.

Autor: Reto Stifel
Foto: Moncler

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