08.04.2024 Anne-Marie Flammersfeld 3 min

Beim Durchblättern einer bekannten deutschen Wochenzeitung fiel meine Aufmerksamkeit auf einen Begriff, welchen ich in diesem Zusammenhang noch nicht kannte: Dopamin-Fasten. Dopamin ist mir durchaus im Zusammenhang mit Motivation und Belohnung bekannt und Fasten kennt jeder, der schon einmal ernährungstechnisch über die Stränge geschlagen hat. Aber Dopamin und Fasten? Aufmerksam las ich diesen Artikel und war wieder einmal überrascht, wie unsere Gesellschaft es schafft, einen alten Hasen im neuen Gewand zu verkaufen. Also, was ist Dopamin-Fasten? Dieser neue Trend verspricht das Wohlbefinden zu steigern, die Produktivität zu verbessern und die Lebensqualität insgesamt zu erhöhen. Na, das liest sich ja wie eine Schönheitsoperation ohne Operation! Doch mal zurück zum Anfang. Was ist Dopamin eigentlich? Dopamin ist ein Neurotransmitter, der im Gehirn eine wichtige Rolle spielt. Es ist bekannt als "Glücksrausch" oder "Belohnungschemikalie", da es mit Motivation, Vergnügen und Lernprozesse in Verbindung gebracht wird. Wenn wir eine angenehme Erfahrung machen, wie zum Beispiel Essen, Freunde treffen oder das Erreichen eines Ziels, wird Dopamin freigesetzt und verstärkt das Verlangen nach dieser Erfahrung. Dies trägt dazu bei, dass wir Verhalten wiederholen, das als belohnend empfunden wird. Das Belohnungssystem im Gehirn, das von Dopamin moduliert wird, spielt eine wichtige Rolle bei der Motivation. Es besteht aus verschiedenen Gehirnregionen, die an der Verarbeitung und Bewertung von Belohnungen beteiligt sind, wie dem ventralen Tegmentum und dem Nucleus accumbens. Ein Ungleichgewicht von Dopamin kann zu verschiedenen Problemen wie Sucht, Depressionen und Aufmerksamkeitsstörungen führen.
 
Dopamin-Fasten ist dementsprechend eine Praxis, bei der man sich für eine bestimmte Zeit von stimulierenden Aktivitäten und Reizen entzieht, die das Dopamin-System des Gehirns überlasten können. Dazu gehören unter anderem soziale Medien, Videospielen, Alkohol, Nikotin, Koffein und sogar bestimmte Lebensmittel.
Wer kennt es nicht: man schaut ja ständig auf das Handy. Ständig! Und wenn man im Flugzeug auf der Kurzstrecke für 45 Minuten mal nicht online gehen konnte, dann sind spätestens beim ersten Bodenkontakt der Flugzeugreifen alle wieder online und hacken wie ein Huhn mit spitzen Fingern auf dem Bildschirm rum. Was man in dieser Zeit des offline-Gehens verpasst? Gar nichts. Ich würde eher behaupten, dass man etwas gewinnt. Und zwar Entspannung. Indem man eine Pause von übermäßigen Reizen macht, kann sich das Dopamin-System des Gehirns neu kalibrieren und die Sensibilität gegenüber angenehmen Aktivitäten wiederherstellen. Dies kann zu einer verbesserten Stimmung, erhöhter Motivation, gesteigerter Kreativität und besserer Konzentration führen. Dieser Verzicht soll wieder empfänglicher machen für Verhaltensweisen, die auf Dauer eben mehr bringen: ein gutes Gespräch, ein Spaziergang durch den Wald oder eine Runde Joggen. Was übrigens auch Dopamin ausschüttet, aber eben langsamer und ohne Kick.
 
Mein Fazit? Ein alter Hut in neuer Verpackung. Aber Fasten alleine kann es auch nicht sein. Denn alle, die schon mal für längere Zeit auf etwas verzichtet haben, schiessen nachher oftmals umso mehr über die Stränge. Vielleicht soll es auch zum bewussteren Umgang mit den Dingen anregen. Vielleicht steht es auch für aktive Pausen von etwas, was einem nur kurzfristig einen Schub gibt. Ein Bad im Wald eignet sich dafür ganz hervorragend, da wir dort in ein System eintauchen, was für uns Menschen unbewusst viel bekannter und gesünder ist. Aber vielleicht kann ich das auch nur so schreiben, weil ich eben nicht der Generation Z angehöre, sondern noch zu den X gehöre… 
 
Mein Musiktipp: 
 

Anne-Marie Flammersfeld

Anne-Marie Flammersfeld ist Diplom-Sportwissenschaftlerin, Personal Trainerin und hat einen BSc. in Psychologie. Sie hält einige sportliche Rekorde. So konnte sie 2012 als erste Frau der Welt alle vier Rennen der «Racing the Planet 4 Deserts Serie» gewinnen und lief 1000 Kilometer durch die vier grössten Wüste der Welt. Sie ist in 8h32 auf den Kilimanjaro gelaufen und konnte den damaligen Weltrekord um gute drei Stunden verbessern. Am Nordpol war sie auch und ihr Streckenrekord steht immer noch bereit, um eingeholt zu werden. Die 1978 geborene deutsche Sportlerin arbeitet mit ihrem Unternehmen all mountain fitness in St. Moritz und dem Engadin. Als Personal Trainerin ist sie für alle da, die etwas Nachhilfe in Sachen Bewegung brauchen! Aber immer mit einem Augenzwinkern. Sie hält regelmässig Vorträge zu Themen aus den Bereichen Motivation, Begeisterung und Grenzen überwinden.
www.allmountainfitness.ch
annemarieflammersfeld.blogspot.com