17.04.2024 Franco Furger 4 min
Foto: Rami Al-zayat/unsplash.com

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Neulich scrollte und drückte ich planlos auf meinem Handy herum. Wie so oft lies ich mich in der Informationsflut treiben, so dass ich die Zeit vergass. Ein Strudel aus Bildern und Worten hielt mich gefangen. Eigentlich wollte ich nur kurz die Wettervorhersage anschauen, doch schon navigierte ich ziellos durch ein Newsportal. Belanglose Schlagzeilen erhielten meine Aufmerksamkeit und die vorhin studierte Wettervorhersage war wieder vergessen. Fazit dieses Konsumverhaltens: Nicht mehr ich war Herr über mein Handy, mein Handy wurde auf einmal Herr über mich. Kennen Sie diesen Effekt? Er ist beängstigend.

Dann stiess ich auf einen Artikel über Jonathan Haidt. Der amerikanische Psychologe und Sozialwissenschaftler sagt, dass Smartphones in Kombination mit sozialen Netzwerken viel Schaden in den Gehirnen junger Menschen anrichten. Für ihn ist klar: Die besorgniserregend hohen Zahlen an Angststörungen, Depressionen, Selbstmorden etc. bei Jugendlichen ist eine direkte Folge ihres Handykonsums. 

Bereits Kleinkinder verbringen jeden Tag viel Zeit vor einem kleinen Bildschirm, je älter sie werden desto mehr Stunden werden es. Die Folge: Kinder sehen ihre Freunde nicht mehr so oft im wirklichen Leben, sie verbringen weniger Zeit in der Natur, sie reden nicht mehr so viel mit Menschen und haben weniger Schlaf. Sie verpassen dadurch das breite Spektrum an Erfahrungen, die für eine gesunde Entwicklung so wichtig sind. Zum Beispiel sich Gefahren auszusetzen und diese ohne Erwachsenenhilfe zu meistern. Kurz gesagt: Die Kindheit ist heute nicht mehr spielbasiert, sondern für die allermeisten telefonbasiert. Auf dem Bildschirm erleben die Kinder alles, im wirklichen Leben immer weniger. «Ihr Gehirn wird auf ein Leben am Bildschirm eingestellt und das macht sie kaputt», sagt Jonathan Haidt im Interview mit der NZZ. Der Psychologe fordert darum: Smartphones erst ab 14 Jahren und Social Media erst ab 16 Jahren zu erlauben.

Der sprunghafte Anstieg von psychischen Krankheiten bei Jugendlichen begann um das Jahr 2012 – als Smartphones und unbegrenzter Internetzugang plötzlich zum Normalfall wurden. Im Jahr 2010 hingegen habe es noch keine Anzeichen dafür gegeben, so Haidt. Damals kostete der Versand einer SMS 10 bis 20 Rappen und WhatsApp war nur bei Insidern bekannt, was sich aber bald ändern sollte…

Nach dem Lesen musste ich das Telefon zur Seite legen. Ich kam ins Nachdenken. Was wird wohl aus meinem dreijährigen Sohn? Noch interessiert ihn das Handy kaum, Gott sei Dank, viel lieber räumt er die Werkzeugkiste aus und spielt mit Zange und Schraubenzieher. Ihn interessiert alles, was Erwachsene tun. Doch bin ich ihm ein gutes Vorbild, so wie ich das Smartphone nutze? Manchmal stehe ich vor ihm, checke E-Mails und schreibe noch schnell ein unnötiges WhatsApp, obwohl ich eigentlich nur den Busfahrplan hab abrufen wollen. Vielleicht bin ich zu oft abgelenkt und höre ihm nicht richtig zu, wenn er mich fragt, wozu dieses oder jenes gut ist. Doch wer erklärt ihm die Welt, wenn ich es nicht tue? Das Smartphone und KI-Roboter. Lieber nicht!

Dann fragte ich mich, was das Smartphone mit meinem nicht mehr ganz so jungen Hirn macht. Die unrühmliche Bestandsaufnahme: Ich lasse mich zu leicht ablenken, was sich negativ auf meine Produktivität und Konzentrationsfähigkeit auswirkt. Ich «belohne» mich mit Handyzeit, um mich zu erholen; doch das Gegenteil von Erholung ist dabei der Fall, vielmehr kommt mein Hirn dadurch nie zur Ruhe. Ich lasse mich von Handy-Inhalten «verführen» und erleide wie eingangs beschrieben eine Art Kontrollverlust. 

Das klingt in der Tat krankmachend. Darum habe ich kurzentschlossen einige Handy-Regeln eingeführt:

  • Nicht mit dem Handy ins Bett
  • Erst nach dem Frühstück aufs Handy schauen
  • Öfters mal ohne Handy aus dem Haus
  • Handy bei der Arbeit auf stumm und nicht auf dem Schreibtisch
  • Kein Handy beim Essen
  • Kein Handy während Arbeitspausen
  • Handy wenn möglich nicht vor Kindern nutzen

Ich bin gespannt, wie ich diese Regeln einhalten kann. Und ich hoffe, dass ich in Zukunft stets Herr darüber bleibe, wie ich Informationen und das Internet mit all seinen Annehmlichkeiten und Abgründen nutze. Das wünsche ich Ihnen auch.

Franco Furger

Franco Furger ist in Pontresina aufgewachsen und hat am Lyceum Alpinum Zuoz die Matura absolviert. Danach tourte er als Profi-Snowboarder um die Welt und liess sich zum Journalisten ausbilden. Er arbeitete als Medienkoordinator bei Swiss Ski, Redaktor bei der Engadiner Post und World Cup Organisator bei der Corvatsch AG. Im Sommer 2017 bloggte Franco über seine Erlebnisse als «Chamanna Segantini-Hüttenbub». Die Liebe führte ihn dann in die Stadt Luzern, wo er die Sonne und die Bündner Berge vermisste. Nun lebt er als freischaffender Texter mit Frau und Sohn in Laax.