01.01.2025 Romana Ganzoni 2 min
Ganzoni, von einer cyberkriminellen Spitzmaus fotografiert

Ganzoni, von einer cyberkriminellen Spitzmaus fotografiert

Nichts kann der Mensch mehr unbeobachtet unternehmen, nicht mal einen kleinen Spaziergang um das eigene Dorf.
 
Es geschah vor zwei Tagen. Ich ging so vor mich hin, da kam eine Spitzmaus des Weges.
 
Ich sagte, was machst du denn so spät? Du solltest doch im Winterschlaf sein. 
 
Das bestimmst jetzt du oder was?, sagte die Spitzmaus genervt. Dann drehte sie sich um und zeigte mir ihren Hintern, dazu murmelte sie etwas, das klang wie: Stirb einsam!
 
Was hast du gesagt?
 
Nichts, nichts.
 
Du hast mich beflucht.
 
Nein, nein.
 
Doch, hast du, aber ins Nichts, ha-ha-ha, du ineffiziente Spitzmaus.
 
Da wandte sich die Spitzmaus wieder mir zu, sie stand nun auf den Hinterbeinen und sagte: Du hast nicht mal gegrüsst, aber sofort Tipps absondern, du Mensch du. 
 
Ich dachte: Du hast auch nicht gegrüsst, du Spitzmaus du. Und ich sagte: Stimmt gar nicht. 
 
Doch.
 
Nein.
 
Doch.
 
Dann hast du halt das letzte Wort. Ich spaziere jetzt weiter, sagte ich ruhig, und ich fühlte mich dabei ausserordentlich souverän.
 
Die Spitzmaus lächelte und zog einen Fotoapparat hervor. Sie richtete ihn auf mich und drückte ab. 
 
Das darf doch nicht wahr sein, hör sofort auf!, rief ich. 
 
Die Spitzmaus lachte, ha-ha-ha, und machte gleich noch ein Foto – und noch eins. Ich rannte los, um ihr den Fotoapparat zu entreissen. Aber sie hatte vier Beine und war bereits beim Fluss. 
 
Wünsche ein hässliches Jahr mit viel Regen und Streit! Wünsche angebranntes Essen und Löcher in den Pullovern!, rief die Spitzmaus.
 
Ich war sprachlos. So ein Satansbraten!
 
Aber es ist noch nicht fertig. Heute, zum Jahresanfang, schickt mir spitzmaus.investigativ@winterschlafnein.com das obige Foto. Ohne Text.
 
So nicht! Anzeige geht raus. Ich meine. Also wirklich.
 
Ich kann nur hoffen, dass mein 2025, das mit den cyberkriminellen Aktivitäten einer aktivistischen Spitzmaus begonnen hat, in den nächsten Wochen und Monaten eine positive Wendung nehmen wird. 
 
Ihnen und Euch allen, die diese Geschichte lesen, und auch denen, die diese Geschichte nicht lesen, wünsche ich viel Glück und Freude im Neuen Jahr. 
 
Bleibt dem Leichten, bleibt Schabernack, Scherz und Lachen erhalten! In guten und vor allem in schlechten Zeiten.

Romana Ganzoni

Romana Ganzoni (*1967, Scuol) ist Autorin und wohnt in Celerina/Schlarigna. Nach 20 Jahren als Gymnasiallehrerin schreibt sie seit 2013 Romane, Erzählungen, Gedichte, Essays, Kolumnen sowie für Radio und Bühne. Sie wurde für den Bachmannpreis nominiert, erhielt den 1. Preis beim Essay-Wettbewerb des Berner Bunds und ist Trägerin des Bündner Literaturpreises.