Als ich vor zwei Jahren meine Ski an den Nagel gehängt habe, hatte ich viele Fragezeichen im Kopf. Eine gewisse Unsicherheit, was das Berufsleben für mich bereithält, gepaart mit einer Portion Wehmut, das Kapitel Leistungssport hinter mir zu lassen. Vielleicht auch ein bisschen Frust – all die erbrachten Opfer für Ziele, die ich teilweise nicht erreichen konnte.
Seit zwei Jahren erfüllt mich mein Beruf als Sportjournalistin beim SRF Sport mit Freude und Stolz. Täglich darf ich die Emotionen und meine Leidenschaft für den Sport weiterleben. Ich konnte erfreuliche Fortschritte erzielen, die viel schneller und grösser waren, als ich je erwartet hätte. Ich bin mittlerweile breit einsetzbar und werde bereits für verschiedenste Projekte berücksichtigt. Rückblickend bin ich davon überzeugt, dass ich den Grossteil davon dem Leistungssport zu verdanken habe – und darüber spüre ich eine gewisse Genugtuung. Die unerreichten sportlichen Ziele zahlen sich jetzt umso mehr aus. Inzwischen weiss ich: Leistungssport ist so viel mehr! Er bereitete mentale und soziale Fähigkeiten auf die Herausforderungen im Berufsleben vor und förderte Eigenschaften, die im Job langfristig den Unterschied machen können.
Zum Beispiel Ausdauer – und zwar nicht die körperliche. Sondern das Durchhaltevermögen, wenn sich Projekte in die Länge ziehen oder der Kopf nicht sofort die richtige Lösung parat hat. Dranzubleiben und das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, auch wenn man mal auf Widerstand stösst. Auch Disziplin aus dem Training übersetzt sich ins Arbeitsleben: Regelmässig an feste Ziele und Routinen zu arbeiten hilft dabei, Aufgaben zu planen und am Ball zu bleiben.
Ich darf ausserdem von einem wertvollen Netzwerk profitieren. Alle Kontakte, die ich im Leistungssport knüpfen konnte, kommen mir jetzt zugute. Im Gespräch mit Athleten spielt mir mein Einfühlungsvermögen in die Karten – selbst zu wissen, wie sich eine Sportlerin oder ein Sportler nach Sieg oder Niederlage fühlt, hilft mir, die passenden Fragen zu stellen und gute Antworten zu bekommen.
Darüber hinaus schult der Leistungssport auch das Zeitmanagement. Training, Wettkämpfe und Erholung müssen sorgfältig aufeinander abgestimmt sein – eine Fähigkeit, die im Büroalltag genauso wichtig ist, um Fristen einzuhalten und Prioritäten zu setzen.
Ein weiterer entscheidender Aspekt ist der Umgang mit Druck. Im Leistungssport gehört es dazu, unter Druck Bestleistungen abrufen zu müssen – sei es im Wettkampf oder wenn die eigenen Erwartungen hoch sind. Diese Fähigkeit, in kritischen Momenten einen kühlen Kopf zu bewahren, kommt mir jetzt enorm zugute. Ob bei Live-Schaltungen, wo jede Sekunde zählt, oder wenn ein Beitrag in kürzester Zeit sendefertig sein muss – die innere Ruhe und Konzentrationsfähigkeit, die ich im Sport gelernt habe, helfen mir.
Niederlagen gehören zum Sport ebenso dazu wie Herausforderungen und Fehler im Berufsleben. Die Fähigkeit, daraus zu lernen und konstruktiv mit Rückschlägen umzugehen, hat mir viel geholfen.
Nicht zu vergessen ist die Teamfähigkeit. Auch wenn man im Einzelsport oft allein auf dem Feld steht, arbeitet man eng mit anderen zusammen, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Diese Erfahrung ist im beruflichen Umfeld Gold wert, wenn es darum geht, gut im Team zu funktionieren.
Lange habe ich die Aussage „Leistungssport ist die beste Lebensschule“ als abgedroschen empfunden. Aus eigener Erfahrung weiss ich jetzt aber: Leistungssport dreht sich nicht nur um Leistung, sondern vor allem um Eigenschaften, die im Berufsleben weiterhelfen können.

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