Folgen Sie mir!

Unauffällig bitte, gerne mit guten Absichten und lieber nicht nachts und durch die engen Gassen der Stadt. Folgen Sie mir!
Wenn Sie auf dem sozialen Netzwerk LinkedIn aktiv sind, dann wissen Sie jetzt bestimmt schon, auf was ich hinaus will: Folgen Sie mir, ich erklär’s Ihnen: Ich selber weiss um ein paar treue Leserinnen und Leser, die meine Artikel lesen. Das freut und ehrt mich, denn sie folgen mir und begleiten mich, ohne dass ich sie dazu einladen musste. Klar, ein paar von ihnen sind mit mir befreundet oder verwandt, die müssen, aber das liegt in der Natur der Sache.
Stutzig werde ich, wenn ich selber dazu aufgefordert werde, jemandem zu folgen. Also nicht im schwiizerdütschen Sinn von «mach, was ich dir sage», sondern im üblichen Sprachgebrauch, wonach ich jemandem durch die dunkle Gasse folgen soll, oder von mir aus auch durch den Wald. «Folgen Sie Bill Gates!» Solche E-Mails verunsichern mich. Will ich Gates überhaupt folgen? Ich kenne ihn ja gar nicht, also nicht persönlich. Nein danke, und sorry, Mr. Gates, nichts für ungut. «Folgen Sie Lewis Hamilton!» Wo, bitteschön, und vor allem womit? Ich fahr bloss eine Hybrid-Karre. «Folgen Sie Jennifer Lopez!» Ja, ist sie denn in der Nähe, tritt sie etwa in Chapella auf? «Folgen Sie Thomas Süssli!» Ehrlich, jetzt, wo er als Armeechef bald abtritt, lohnt sich das noch? «Folgen Sie Vivi Han!» Ahh, kenne ich zwar auch nicht persönlich, tönt aber vielversprechend. Er oder sie ist nämlich «Talent Recruiter». Lassen Sie mich überlegen, wenn ich Han folge, irgendwann in der dunklen Gasse einhole, an der Schulter packe und zurückreisse und frage: «Ciao, da bin ich, sag, habe ich Talent?» Wer weiss, dass könnte meinen Durchbruch bedeuten und es könnte noch etwas werden aus mir. Und dann dauert es nicht lange, bis Sie eine E-Mail erhalten mit der Aufforderung: «Folgen Sie Duschletta! Versprochen!

j.duschletta@engadinerpost.ch