Kürzlich, unterwegs im unbedienten Speisewagen des Intercity von Landquart nach Zürich. Dort herrscht in aller Regel kein Dichtestress und entsprechend hat es Platz zum Arbeiten. Denkste! Draussen eine Affenhitze, Hochsommer halt, und drinnen, keinen Deut besser. Weder Luft zum Atmen noch Platz zum Arbeiten. Der Zug ist proppenvoll, ich habe Durst und schwitze wie ein Erdbeereis an der Sommersonne. Ich hasse Erdbeereis, weshalb ich grundsätzlich kein Problem habe, wenn solches dahinschmilzt. Für einmal sind aber auch hier alle Sitzplätze belegt, ich schwitze und klebe, eingeengt auf meinem Fensterplatz. Der leichte Luftzug, der vom Lüftungsgitter am Fensterrand über meinen dort hingelegten Arm streicht, gleicht dem, der einem in der Küche beim zu schnellen Öffnen der Backofentüre ins Gesicht schlägt. Vis-à-vis von mir liest ein Mann im Reportage-Magazin. Sympathisch, denke ich, aber weshalb zeigt der keinerlei Anzeichen von Unwohlsein oder Überhitzung, keine einzige feucht glänzende Schweissperle ziert seine Stirn, nicht ein Hauch von einer dunkel verfärbten Stelle an seiner Kleidung, nicht einmal unter den Achselhöhlen. Bei mir spriesst da gefühlt schon ein halber tropischer Regenwald. Wahnsinn, wie macht er das bloss, wie hält er dieses Klima aus? Ich bin versucht zu fragen, ob er gerade eine Reportage über eine Everest-Expedition bei angenehmen minus 30° Grad Celsius im Schlafsack liest. Mir kleben aber zwischenzeitlich auch die Lippen zusammen, weshalb ich ihn in Ruhe lesen lasse. Ich erblicke einen Aushang, der über der Durchgangstüre klebt. Er weist auf einen Defekt von Klimaanlage und Heizung hin. Gut ist auch die Heizung defekt. Sonst würde sicher noch jemand auf die Idee kommen, diese aufzudrehen. Manchen ist eben nie warm genug.
Jon Duschletta
PS werden von den Redaktorinnen und Redaktoren der Engadiner Post / Posta Ladina geschrieben und erscheinen wöchentlich in der Samstagsausgabe der EP/PL.

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