Der fette Dachs

Rückblende, Frühling 2025, St. Moritz: Unter unserer Scheune buddelt jemand ein Loch. Vom Übeltäter allerdings keine Spur. Mein Vater schaufelt das Loch zu – Thema erledigt. Letzten Monat: wieder ein Loch, an exakt gleicher Stelle. Wieder greift mein Vater zur Schaufel. Ein stiller Kleinkrieg entfacht, Überwachungskameras werden gegoogelt, aber es bleibt beim Googeln. 

Und dann, diese Woche, des Rätsels Lösung: Direkt vor meinen Augen schleicht er ums Haus. Ein Dachs. Ein wirklich fetter Dachs. Einer, der aussieht, als hätte er sämtliche Vorratskammern des Dorfes leergefuttert und dabei noch Platz fürs Dessert gefunden. Geht er wieder zur Scheune? Aller guten Dinge sind drei, oder wie? Nein, heute nicht, heute wird nicht gebuddelt. Vielleicht will er ja nur spazieren gehen und die St. Moritzer Abendsonne geniessen. Oder einfach mal die Lage vor Ort abchecken. 

Wie auch immer, verscheucht habe ich ihn trotzdem. Gerade keine Lust, Löcher zuzuschaufeln. Aber der kommt wieder, das habe ich ihm angesehen. Bleibt die Frage: Wer gibt zuerst auf – mein Vater mit der Schaufel oder der Dachs mit seinem Bohrtrieb und seinen Rachegelüsten? Vielleicht bringt er beim nächsten Mal ja gleich einen Mietvertrag mit. Ich hoffe nur, er zahlt pünktlich – und nicht in Regenwürmern.