Die Wahl des neuen Verwaltungsrates von letzter Woche und die Frage, weshalb Marcel Bührer, Felix Ehrat und Richard Leuenberger das Mandat trotz ihrer Kandidatur und Wahl nun doch nicht ausüben wollen, ist im Oberengadin nach wie vor ein viel diskutiertes Thema.

Verwunderung
«Es ist schon sehr speziell, wenn man sich für einen Job bewirbt, den man dann doch nicht annimmt. Und mit der Argumentation, weshalb sie sich Marcel Bührer, Felix Ehrat und Richard Leuenberger zurückgezogen haben, habe ich schon etwas Mühe», sagt Martin Aebli, Vorsitzender der Präsidentenkonferenz und Gemeindepräsident von Pontresina. «Die Kandidaten wussten im Vorfeld, worum es geht, die Fakten lagen ganz klar auf dem Tisch», ist er der Ansicht.
Dass zuerst die Vergangenheit aufgearbeitet werden muss, ist für Aebli nur logisch, «was dem alten VR aber keinen Sinn mehr gemacht hätte.» Zudem seien die Kandidaten bei den Hearings mit den Anspruchsgruppen darauf vorbereitet worden. «Es ist doch bei jedem Unternehmen so: Zuerst muss die Vergangenheit abgeschlossen werden, bevor etwas Neues begonnen werden kann», ist er überzeugt. Darüber hinaus ist Aebli zufolge die Suche nach einem neuen CEO schon im vergangenen Winter thematisiert worden.

Keinerlei Informationen zu Altlasten
Felix Ehrat hatte laut eigenen Aussagen bezüglich Altlasten keinerlei Informationen, weil sich die Diskussionen mit den Gemeindepräsidenten und Leistungsträgern im Vorfeld ausschliesslich um die Zukunftsfähigkeit der Tourismus-Region drehte. Deshalb hält er auch dezidiert fest, «dass die von Martin Aebli aufgestellte These in Bezug auf die Bereinigung der Altlasten zumindest für meine Person falsch sind.» Ihm sei stets kommuniziert worden, dass der Übergangs-VR 2020/2021 eine Vision und eine langfristige Strategie für die nachhaltige Entwicklung der Tourismusregion entwickeln müsse. «Mit diesem Auftrag wollten wir uns gemeinsam im VR und im Beirat mit Begeisterung engagieren», so Ehrat.

Der Blick zurück 
Er blickt zurück: Anfang des Jahres wurde er zusammen mit dem Unternehmer und Marketingspezialist Georges Kern aus dem Kreise der Gemeindepräsidenten angefragt, für das Engadin eine Vision zu entwickeln. Nach seinem Verständnis ging es darum, einen Rahmen für die Weiterentwicklung zu schaffen, in Zusammenarbeit mit einem kleinen effizienten Übergangs-Verwaltungsrat und mit einem breit abgestützten Beirat wichtige Stossrichtungen zu definieren sowie diese kontinuierlich mit allen wichtigen Interessengruppen im Tal zu besprechen und gegen Ende des Jahres mit der Bevölkerung zu teilen.

Grossmehrheitlich einverstanden
Seit Februar haben sie an Sitzungen und in Gesprächen erste Vorstellungen entwickelt: Die Erwartungshaltung der jungen Generation, Klimaneutralität und die Digitalisierung standen gemäss Ehrat im Mittelpunkt. «Aufgrund unserer Überlegungen wurden wir dann gebeten, uns als Präsident des Verwaltungsrates und als Präsident des zu schaffenden Beirates zur Verfügung zu stellen. Wir haben eingewilligt im Verständnis, dass das Aktionariat zumindest grossmehrheitlich mit unserem Plan und unseren vorläufigen inhaltlichen Vorstellungen einverstanden ist. Über die Bereinigung der Altlasten wurde mit uns nicht einmal diskutiert – völlig zurecht übrigens, weil es keinen Sinn machen würde, Auswärtige damit zu betrauen», ist Ehrat der Meinung.
Bereits Anfang des Jahres habe er konsequenterweise auch vorgeschlagen, die CEO-Suche zu sistieren bis die vom neuen VR auszuarbeitende Vision konkret vorliegt und breit vom Aktionariat und anderen relevanten Interessengruppen akzeptiert ist.

Aufträge wichen fundamental ab
«Drei Tage vor der GV, am 12. Mai, informierte man mich über das signifikante finanzielle Loch der ESTM AG. Gleichentags verlangte ich schriftlich, dass die Überschuldung bis zur GV zu bereinigen sei, um einen Neustart ohne finanzielle Hypotheken zu ermöglichen – was mir zugesichert wurde», fährt Ehrat fort. «An der Orientierung nach der GV wurde uns dann aber mitgeteilt, dass die Überschuldung nicht vollständig beseitigt worden sei, der neue VR eine Liste von mir bisher nicht bekannten Altlasten abarbeiten und einen neuen CEO suchen müsse – die Entwicklung einer zukunftsfähigen Strategie solle hingegen verschoben werden. Diese Erwartungen und Aufträge wichen fundamental ab von allen Gesprächen, die wir vorher geführt haben.»

Nichts hinzuzufügen
Während sich Felix Ehrat im Detail äussert, nimmt Richard Leuenberger, Managing Director des Badrutt’s Palace Hotel in St. Moritz, neben der bereits bekannten offiziellen Mitteilung der ESTM AG und dem gemeinsamen Statement zu diesem Thema nicht weiter Stellung. Genau so antwortet Bührer auf Anfrage der EP/PL: «Dem bisher Kommunizierten möchte ich nichts hinzufügen. Gerüchte möchte ich keine kommentieren.»