«Das Engadin ist ein Ort der Ruhe», steht auf der Website mit der für das Tal gross Werbung gemacht wird. Überall? Nein. Ein kleines Dorf stemmt sich, wie Asterix und seine Gallier gegen die Römer, dagegen. Dabei ist es ein sehr schönes Dorf. Es hat einen gut erhaltenen Dorfkern, schöne Engadinerhäuser, eine uralte Kapelle, in der auch mal der Wein für das Dorf gelagert wurde, zwei Kirchen und immer noch eine stattliche Anzahl an lokalen Geschäften und Dienstleistern. Und es hat dazu das absolute Alleinstellungsmerkmal in der Region: die 24-Stunden-365-Tage-Abfallsammelstelle nämlich. Anders als in allen anderen Orten, wo nächtliches oder gar sonntägliches Müll entsorgen ein absolutes Tabu ist, gelten bei dieser Sammelstelle praktisch keine Einschränkungen. «Top of the Valley» sozusagen. Und es funktioniert. Während andere Gemeinden zunehmend über entleerte Dorfkerne klagen, sorgt die Sammelstelle für regen Betrieb und angeregten Austausch unter den Abfallentsorgungsfans. Kartonkisten Sonntagmittag in die quietschende Presse schmeissen und beim Wettbewerb im Glasflaschen-Zielwurf morgens um 3.00 Uhr ordentlich Krach machen zu können, verbindet schliesslich. 

Es soll sogar, so wird gemunkelt, Auswärtige geben, die mit Altglas und leeren Aludosen gefüllten Trollys sonntags mit der RhB hinfahren, um einmal so richtig die Abfallsau rauslassen zu können. Nur aufgepasst! Genau das ist verboten. Die Sammelstelle ist nur für im Dorf Wohnende und wird mit Videokameras strengstens überwacht. Besonders nachts, wenn es dunkel ist. 

Text: Daniel Zaugg

d.zaugg@engadinerpost.ch