«Ich schwöre, treu, redlich und ehrenhaft zu dienen dem regierenden Papst und seinen rechtmässigen Nachfolgern und mich mit ganzer Kraft für sie einzusetzen, bereit, wenn es erheischt sein sollte, für ihren Schutz selbst mein Leben herzugeben.»

Diego Muolo schwärmt noch immer, wenn er an den 6. Mai dieses Jahres zurückdenkt. An diesem Tag, acht Monate nachdem er seinen Dienst bei der Päpstlichen Schweizergarde begonnen hatte, legte er den Eid ab. So wie jedes Jahr am 6. Mai die Vereidigung stattfindet. Am Jahrestag der Plünderung Roms vor knapp 500 Jahren, als 189 Schweizergardisten Papst Clemens VII. gegen die Armee Karls V. verteidigten. «Man macht sich gewisse Vorstellungen von der Vereidigung, schaut Videos an von früher. Wenn du aber selber dort stehst und der Kaplan die Eidesformel vorliest, ist das ein sehr spezieller, unvergesslicher Moment.» Wohl auch für die beiden Familienmitglieder, die den jungen Gardisten vor der Vereidigung zu einer kurzen Audienz beim Papst begleiten dürfen.

Am 1. September des letzten Jahres hat für den 20-Jährigen aus Celerina ein neuer Lebensabschnitt begonnen. Nachdem er an einer Schnupperreise der Garde teilgenommen hatte, sah er sich in seinem Gefühl bestätigt: «Ich will Dienst in der Schweizergarde

«Eine Freude und Ehre, die Geschichte weiterschreiben zu dürfen»

leisten.» Er hat sich für mindestens 26 Monate verpflichtet. Während zwei Monaten ist er für die neue Aufgabe vorbereitet worden. Zuerst im Vatikan, um beispielsweise das Exerzieren zu üben, sich Orts- und Personenkenntnisse anzueignen, oder intensiv Italienisch zu lernen. Für den zweiten Monat kehrte Muolo in die Schweiz zurück, nach Isone im Tessin, wo er unter anderem eine Schiessausbildung erhalten hat, in Selbstverteidigung trainiert und Polizeitaktik geschult wurde, aber auch Vorlesungen in Psychologie und Recht besuchte. Seit den Attentaten von Paris, Brüssel und in anderen europäischen Städten 2015 haben sich die Sicherheitsanforderung verschärft. Die Ausbildung wurde seither stark ausgebaut. «Trotz ihrer historischen Uniformen ist die Schweizergarde heute ein moderner, hochprofessioneller Sicherheitsdienst.», betont der Mediendienst der Schweizergarde.

Diego Muolo sitzt entspannt an einem Tisch im Garten des familieneigenen Hotels in Celerina. Gerade geniesst er zehn Tage Ferien in der frischen Bergluft, eine wohltuende Abwechslung zur Hitze in Rom, und erzählt von seinen ersten Monaten bei der Garde. «Sobald ich die Uniform trage und Dienst habe wird mir bewusst, was ich hier mache. Ich stehe auf einem Posten, auf dem vor 500 Jahren auch schon ein Schweizer Gardist Dienst geleistet hat. In diesem Moment ist es einfach nur noch eine Freude und eine Ehre, diese Geschichte weiterschreiben zu dürfen.»

Die Päpstliche Schweizergarde hat fünf Grundaufträge zu erfüllen: Der Schutz des Heiligen Vaters und seiner Residenz, der Schutz des Kardinalkollegiums, wenn ein neuer Papst gewählt wird, die Bewachung der offiziellen Eingänge zum Vatikanstaat, Leistung von Ordnungs- und Ehrendiensten und die Begleitung des Heiligen Vaters auf seinen Apostolischen Reisen. Letzteres ist allerdings nur Gardisten vorbehalten, die länger als die im Minimum 26 Monate bei der Garde bleiben.

Wie aber sieht ein Tagesablauf von Hellebardier Muolo aus? «Den typischen Tagesablauf gibt es nicht», sagt er. Je nach Dienst, je nach Schicht ist man an einem anderen Ort eingeteilt. Grundauftrag ist das Überwachen und das Kontrollieren. Das kann ebenso Verkehr regeln bedeuten wie die sogenannte Schildwache. Dort gilt es je nach Posten eine oder zwei Stunden mit der Hellebarde und ohne sich zu bewegen still zu stehen. «Am Anfang war das recht schwierig, man ist sich nicht gewöhnt, so lange ruhig zu sein und sich nicht ablenken zu lassen.» Jetzt, im Sommer, wird es auch sehr heiss, trotz der etwas leichteren Uniform schwitzt man am ganzen Körper.»

Ganz alleine auf sich gestellt ist Muolo während dieser Wache nicht. Der Postenchef bewegt sich zwischen den einzelnen Standorten und er ist es auch, der mit den Besucherinnen und

«Sind Soldaten der Armee des Vatikans und ausgebildet»

Besuchern spricht oder sie darauf hinweist, wenn sie sich den Gardisten – beispielsweise für Fotos – zu stark nähern.

Doch Fakt ist, die Gardisten in ihrer blau-gelb-rot gestreiften Uniform sind fast so bekannt wie der Papst selbst. Oft wird die Garde als Folklore bezeichnet. Dem widerspricht Muolo dezidiert. «Viele haben das Gefühl, wir seien nur eine Touristenattraktion. Das stimmt nicht. Wir sind Soldaten der Armee des Vatikans und entsprechend ausgebildet.»

Ausgebildet, um im Ernstfall das eigene Leben zu lassen. So hat es Gardist Diego Muolo bei der Vereidigung geschworen. Zweifel, ob dieser nicht verhandelbare Grundsatz richtig ist, hat Muolo auch nach bald einem Jahr keine. «Das ist meine volle Überzeugung. Hätte ich Zweifel gehabt, hätte ich mich nicht für die Garde beworben.» Jeder, der den Schwur geleistet habe sei

«Du bleibst ein Leben lang Gardist»

bereit, diesen bedingungslos zu erfüllen. Und zwar über den Dienst hinaus. «Du bleibst ein Leben lang Gardist, diese Mentalität behältst du, auch wenn du nicht mehr bei der Garde arbeitest.»

Muolo wohnt mit seinen 134 Kollegen in der Kaserne des Vatikanstaats, nicht weit weg vom Gästehaus Santa Marta, wo der Papst immer noch seine Wohnung hat, obwohl sein Appartement im Apostolischen Palast bezugsbereit wäre. Das Zusammenleben mit den anderen Gardisten gefällt ihm. Und auch wenn man nicht zu allen Kollegen einen gleich guten Draht hat: Für Muolo ist die Schweizergarde schon zu einer Art grosser Familie geworden.

«Immer im Hinterkopf haben, wen wir repräsentieren»

In der Freizeit erkundet er mit Kollegen der Garde die nähere oder weitere Umgebung von Rom. «Am Anfang haben wir vor allem viel Sightseeing gemacht, jetzt besuchen wir auch mal ein Museum gehen ins Kino oder in ein Restaurant.» Fixe Regeln für den Ausgang gibt es nicht. Aber wir müssen immer im Hinterkopf haben, wenn wir repräsentieren: Den Papst und die Schweizergarde.»

Auf die Frage, was er von Papst Franziskus bei einem Gespräch gerne wissen möchte, sagte Muolo gegenüber dieser Zeitung im letzten September, dass er ihn fragen würde, wie es sei, am Morgen aufzustehen im Wissen «ich bin Papst.» Auf die Antwort muss er sich noch etwas gedulden, ein längeres Gespräch hat noch nicht stattgefunden. Das wird aber noch passieren, davon ist der junge Celeriner Gardist überzeugt. Dann nämlich, wenn er einen Dienst zugeteilt bekommt, bei dem er nahe beim Papst arbeitet. So wie das bei verschiedenen seiner Kollegen, die mit ihm die Rekrutenschule begonnen haben, schon der Fall war.

Bald ist das erste Dienstjahr vorbei. Im Gespräch spürt man, dass Diego Muolo gerne dort Dienst leistet. Ob er seinen Einsatz allenfalls sogar verlängern wird, kann Muolo heute noch nicht sagen. Obwohl: Mindestens zwei gute Gründe gäbe es dafür: Das Jahr 2025 ist ein «Heiliges Jahr», das gibt es nur alle 25 Jahre. Und 2027 sind 500 Jahre seit dem «Sacco di Roma», der Plünderung Roms vergangen. Beide Jahre dürften mit verschiedenen Zeremonien besonders festlich werden.

Autor: Reto Stifel

Foto: Vatican Media