Dass es bei der Stiftung Gesundheitsversorgung Oberengadin und insbesondere beim Spital in Samedan rumort, ist schon seit längerer Zeit offenkundig. Angefangen hat es mit der Kündigung der Chefärztin der Frauenklinik, Dr. med. Ladina Christoffel und der anschliessenden Freistellung durch die SGO. Auch Dr. med. Regula Morgenegg, Chefärztin der Anästhesie und Intensivmedizin, wurde nach ihrer Kündigung freigestellt. Angestellte der Gynäkologie/Geburtshilfeabteilung machten kürzlich darauf aufmerksam, dass die Grund- und Notfallversorgung im Oberengadin und den Talschaften gefährdet sei.

Vorwürfe seitens der IG
Bereits im Mai dieses Jahres war die IG Pro Medico Plus gegründet worden. Diese verlangte kurz darauf mit dem Stiftungsrat ein Gespräch, welches nicht gewährt wurde. Ende Juni schliesslich gelangte die IG mit einem von 30 Personen unterzeichneten Schreiben an das kantonale Gesundheitsamt und das Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (Kiga). Die im Schreiben aufgeführten und in einem mehrseitigen Rapport präzisierten Vorwürfe an die Leitungsgremien der SGO sind happig. Der Leiter des kantonalen Gesundheitsamtes, Rudolf Leuthold, bestätigt auf Anfrage den Eingang des Schreibens. «Dieses haben wir als Beanstan­dung entgegengenommen und werden die Angelegenheit einer näheren aufsichtsrechtlichen Prüfung unterziehen», schreibt er in seiner Antwort.

Im Tal kein Gehör gefunden
Der Gang zum Kanton zeigt, dass die IG mit ihren Anliegen ganz offenbar weder bei der Geschäftsleitung noch beim Verwaltungs- oder Stiftungsrat Gehör gefunden hat. Mit heute schon sichtbaren, fatalen Folgen. So ist beispielsweise der Gebärsaal am Spital in Samedan im Moment wegen des fehlenden Personals nur sehr eingeschränkt verfügbar. Da stellt sich die Frage, ob die vom Management getroffenen Personalentscheide nicht die Gesundheitsversorgung im Tal gefährden? Denn wenn die Chefärztin einer zentralen Abteilung wie der Gynäkologie und Geburtshilfe nach ihrer Kündigung per sofort freigestellt wird, ist klar, dass auf personeller Ebene ein Vakuum entsteht. Diese und andere Fragen wird das Gesundheitsamt prüfen müssen.

Zwei Abgänge im Verwaltungsrat
Die Unruhen am Spital haben zu ersten personellen Konsequenzen geführt. So haben SGO-VR-Präsidentin Gabriela Maria Payer und Verwaltungsrat Marco Kleger am Dienstag ihren sofortigen Rücktritt erklärt. Die Leitung des Verwaltungsrates übernimmt ab sofort der bisherige Vizepräsident, Prof. Dr. med. Gian Melcher. Warum opponiert ein Teil der Belegschaft gegen die Führung? Die EP/PL widmet diesem Thema in der Ausgabe vom Samstag einen Schwerpunkt. Die Redaktion hat mit Mitarbeitenden gesprochen. Was sagen CEO und was der Stiftungs- respektive der Verwaltungsrat? Lesen Sie es in der EP/PL.

Autor und Foto: Reto Stifel