Am 13. Dezember wählt die Vereinigte Bundesversammlung die Nachfolgerin oder den Nachfolger des Ende Jahres zurücktretenden Alain Berset. Einer von sechs Kandidierenden der SP ist der gebürtige Unterengadiner Jon Pult. Er hat gemäss verschiedenen Medienberichten anlässlich der Roadshow durch diverse Kantone einen hervorragenden Eindruck hinterlassen, geniesst in der Partei einen starken Rückhalt, und viele Politik-Kommentatoren gehen davon aus, dass Pult heute in einer Woche von der Fraktion auf das Ticket gesetzt wird.

Sollte Pult dann am 13. Dezember zum Bundesrat gewählt werden, wäre er der Zweite überhaupt in der langen Geschichte, der Rätoromanisch spricht. Pult wurde in Scuol geboren, verliess das Unterengadin aber schon früh und lebt heute in Chur und Bern.

Auch der erste Rätoromane im Bundesrat stammt aus Scuol, zog mit seiner Familie aber bereits als Sechsjähriger nach Trin und lebte später in Chur und Zürich, aber auch im Ausland. 1913 wurde Felix Calonder (FDP) in die Landesregierung gewählt, 1920 trat er aus gesundheitlichen Gründen zurück. «Felix Calonder war ein feiner Mensch mit einem guten Charakter», beschrieb ihn der Historiker Paul Grimm einmal. Die NZZ lobte ihn am Tag nach der Wahl als einen Mann, der «persönlich und gerecht, nicht schroff, aber zäh» seine Ziele verfolgt. Seine erste Amtshandlung als Bundesrat war übrigens die Eröffnung der Bahnlinie von Bever nach Scuol-Tarasp. Als Präsident der Alpen-Initiative liegt auch Jon Pult die Verkehrspolitik nahe, ebenso wie das Verhältnis der Schweiz zur EU oder das Gesundheitswesen. In all diesen Geschäften vertritt er eine pointiert linke Haltung. Darum dürfte die Hürde, am 25. November auf das SP-Ticket zu kommen, deutlich tiefer liegen als dann zweieinhalb Wochen später tatsächlich auch zum Bundesrat gewählt zu werden. Wie aber beurteilt Jon Pult seine Chancen, was könnte er als Bundesrat anbieten und wo würde er die Schwerpunkte setzen? Das grosse Interview mit Jon Pult gibt es in der EP/PL vom Samstag, 18. November zu lesen.

Autor: Reto Stifel

Foto: RTR/Yanik Bürkli