Sonntagmittag im ersten Stock des Pferdestalls neben der Polowiese in St. Moritz Bad. Marina Paola Caciani befindet sich am Ende des langen Gangs in der letzten Pferdebox. Sie bereitet Polopony Messi auf das bevorstehende Finale auf dem gefrorenen St. Moritzersee vor. Gestriegelt ist er bereits, sein Fell glänzt seidig. «Er ist eine Berühmtheit», sagt die Groom, die sofort das Du anbietet. «Negra» wird sie von allen im Stall genannt, «Schwarze». Vermutlich verdankt sie diesen Spitznamen ihrem langen, dunklen Haar. In der Polo-Szene haben fast alle einen Spitznamen, von den Spielern bis zu den Grooms, und sogar einige Pferde erhalten diese Ehre. 

Eine der Ersten im Stall
Negra stellt sich für die Zeitung als Paola vor, «einfach nur Paola, bitte». Der italienische Name ist das Erbe ihrer Vorfahren, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Argentinien ausgewandert sind. 

Bereits zehn Tage vor dem Turnier sind die Ponys und ihre Grooms in St. Moritz angekommen. Die Tiere werden von verschiedenen Poloställen ins Engadin transportiert und müssen sich zunächst an Höhe und Kälte akklimatisieren. Paola ist meistens eine der Ersten, die morgens um sechs Uhr im Stall eintrifft. Dieses Jahr arbeitet sie im Team The Kusnacht Practice. Als Selbstständige hat sie keinen Chef, sondern wählt ihre Aufträge selbst. «Ich begleite immer Isidro Strada», erzählt sie. Gordisi lautet der Spitzname des Spielers, der Handicap 8 (von insgesamt zehn) vorweisen kann. 

Frühmorgens werden die Ponys zunächst getränkt und gefüttert, dann geputzt und schliesslich zur Polowiese gebracht und rund um den Platz geführt, damit sie genügend Auslauf haben. 

 Seit 25 Jahren eine Groom
Die meisten Grooms kommen aus Argentinien und sind männlich. Im Stall hat es nur wenige Frauen, unter anderem eine junge Engländerin. «Als ich angefangen habe, mit den Ponys zu reisen, gab es keine einzige Frau im Stall», erzählt Paola. Sie sei von den männlichen Kollegen aber immer respektiert worden, was wohl auch mit ihrem selbstbewussten Auftreten und ihrer Professionalität zusammenhängt. Groom zu sein, sei lange eine Männerdomäne gewesen, erst seit einigen Jahren ändere sich das. 

Seit 25 Jahren ist die 53-Jährige eine Groom. Sie selbst ist auf dem Land mit Pferden aufgewachsen. Die Passion für diese Tiere habe sie schon immer gehabt, erzählt sie. Doch zunächst wurde sie Sportlehrerin, während des Studiums arbeitete sie zudem in einem Büro in Funes in Argentinien. Der Zufall wollte es, dass sie 1999 über eine Schweizerin nach Genf kam und dort in einem Poloclub arbeitete. 

Durch diese Arbeit gelangte sie auch erstmals nach Sotogrande in Südspanien, wo sie den Polospieler David «Pelon» Stirling kennenlernte, der damals ein Jugendlicher war und am Anfang seiner Karriere stand. Er stellte sie ihren späteren Patrons vor, dem Ehepaar Lindqvist. Fortan lebte sie fünf Jahre in deren Club. «In England habe ich den respektvollen Umgang mit Ponys gelernt, in Argentinien behandelten die Leute ihre Tiere früher grober», erzählt sie. Das habe sich inzwischen glücklicherweise geändert. 

«Diese Lebensweise heilt»
Von 2018 bis 2023 arbeitete Paola in England als Groom für den Prinzen von Brunei. Die Diagnose Brustkrebs stellte einen Wendepunkt in ihrem Leben dar. Doch sie kämpfte, und besiegte die Krankheit. «Heute bin ich krebsfrei», sagt sie strahlend, während sie Messi streichelt. Das Schlimmste während ihrer Krankheit sei gewesen, nicht zu wissen, ob sie jemals wieder mit ihren geliebten Ponys arbeiten könne. Jetzt strotzt sie wieder vor Energie. «Ich rauche nicht, ich trinke keinen Alkohol, ich betreibe viel Sport und bin den ganzen Tag mit den Ponys unterwegs, diese Lebensweise heilt», sagt sie. 

Inzwischen lebt sie in Sotogrande, «wo der Polosport zuhause ist und die Sonne immer scheint». Dort arbeitet sie als Groom, es ist ihre Basis. Paola gilt als sehr ehrlich und zuverlässig. «Deswegen werde ich scherzhaft auch als sehr schweizerisch bezeichnet», sagt sie grinsend. Auch ihr Bruder und seine Familie leben in Sotogrande. Sie selbst hat keine Kinder. «Das ist mit diesem Beruf nicht vereinbar», meint sie. Früher sei sie oft auf Reisen gewesen: England, Mallorca, Argentinien, Florida, Spanien, Schweiz. «Ich habe viel von der Welt gesehen».

Eine grosse Verantwortung
Nun reiste Paola also mit Isidro Strada nach St. Moritz. Das Besondere am Snow Polo sei natürlich der Schnee. Die Ponys haben für die Spiele des Snow Polo extra Stollen an den Hufeisen, eine Art Spikes. An Menschenmassen seien sie zwar gewöhnt, aber es gebe immer wieder Situationen, in denen sie von unvorsichtigen Personen erschreckt werden. «Ich trage eine grosse Verantwortung für diese wertvollen Tiere», sagt die Groom. Es sei ihre Aufgabe, gesunde und fitte Tiere zu haben. 

Messi ist einer ihrer Lieblinge. «Diese Anmut und diese Kraft begeistern mich», erklärt sie. Das wisse er ganz genau, meint sie lachend. Mit Frauen flirte das Pony ohnehin gerne. Während der Spiele fiebert Paola immer mit – für Isidro Strada, den sie seit vielen Jahren kennt, aber vor allem für die Ponys, die sie pflegt. Besonders sorgfältig bandagiert sie vor einem Spiel jeweils die untere Beinpartie der Ponys. 

Die Grooms müssen aufs Siegerbild
Kurz bevor es aufs Spielfeld geht, wird Messi noch hübsch hergerichtet, inklusive Flechtfrisur am Schweif. Dann werden die Ponys zu den Stallzelten am Rande des Spielfelds gebracht, wo sie auf ihren Einsatz warten. Während eines Spiels wechselt ein Spieler die Ponys mehrmals aus. Die Grooms wärmen sie vor Ort auf, bringen ein Pony zum Spielfeldrand, holen das andere ab, kontrollieren, ob die Tiere nach dem Spiel wohlauf sind, reiben sie trocken. 

Dazwischen reicht es immer wieder für einen Blick auf den Spielstand. Team The Kusnacht Practice spielt an diesem Nachmittag im Finale - und gewinnt. Paola ist eine der Ersten, die Isidro Strada in die Arme springt, ihn herzt und beglückwünscht. Er wiederum besteht darauf, dass das Siegerfoto des Teams erst gemacht wird, wenn auch seine Negra und die anderen Grooms neben den Spielern stehen. 

«Wir sind wie eine Familie», sagt eine glückliche Paola nach dem Blitzlichtgewitter. Dann ist es für sie wieder Zeit, sich um die wahren Helden zu kümmern: ihre Ponys.