Im Sommer 2023 sind Mitarbeitende des Spitals Oberengadin in Samedan an den Kanton mit einem mehrseitigen Schreiben und einem detaillierten Rapport gelangt, in dem den Führungsgremien vorgeworfen wurde, sie würden Verstösse gegen das Arbeitsgesetz billigen und ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitenden nicht nachkommen.
Jetzt, eineinhalb Jahre später, zeigen Berichte des Bündner Arbeitsinspektorats, dass die Vorwürfe nicht aus der Luft gegriffen waren. Es handelte sich um «teils gravierende» Verstösse, wie der Arbeitsinspektor im Bericht schreibt.
Und die Verantwortlichen von Stiftungsrat, Verwaltungsrat und Geschäftsleitung? Sie wollten die Mitarbeitenden nicht anhören, beharrten auf der Einhaltung des Dienstwegs und haben die Probleme schöngeredet. Kurz: Sie haben ihre Führungsrolle nicht wahrgenommen.
Das erinnert an das Flughafendebakel im letzten Sommer. Damals ist ein externer Gutachter zum Schluss gekommen, dass unter anderem die Flughafenkonferenz – die politische Ebene des Konstrukts – versagt hat. Das Pendant bei der SGO ist der Stiftungsrat. Ebenfalls das oberste Führungsorgan. Ebenfalls besetzt mit gewählten Exekutivmitgliedern der elf Trägergemeinden – meistens in der Person der Gemeindepräsidentin oder des Gemeindepräsidenten. Der Stiftungsrat wusste, dass die Mitarbeitenden an den Kanton gelangt waren, weil sie bei den SGO-Gremien kein Gehör gefunden hatten. Der Stiftungsrat wusste, dass der Kanton als oberste Aufsichtsbehörde Kontrollen am Spital durchgeführt hatte. Warum wurde die Herausgabe der Ergebnisse der Untersuchungen nicht explizit verlangt? Im Nachhinein zu lamentieren, die Berichte seien dem Gremium vorenthalten worden, zeugt von wenig Verantwortungsbewusstsein.
Eine Aufarbeitung der Geschehnisse der letzten Jahre am Spital ist zwingend. Für die Öffentlichkeit, die erfahren soll, ob die publik gewordenen Verstösse gegen das Arbeitsgesetz nicht lediglich das sichtbare Resultat eines tiefer liegenden Management- und Controlling-Versagens mit Kostenfolgen für die öffentliche Hand sind. Für die Mitarbeitenden, die den Stein überhaupt erst ins Rollen gebracht und zumindest schon einmal erreicht haben, dass es heute eine Personalkommission und eine anonyme Meldestelle bei der SGO gibt.
Nicht zuletzt braucht es eine externe und unabhängige Untersuchung. Nicht nur, um vergangene Fehler aufzuarbeiten, sondern auch, um sicherzustellen, dass bei regionalen Aufgaben Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt und verhindert werden. Dafür müssen Führungs- und Aufsichtsgremien stärker mit Fachleuten besetzt werden – und weniger mit politischen Amtsträgern.
Autor und Foto: Reto Stifel
Autor und Foto: Reto Stifel
r.stifel@engadinerpost.ch
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