Pfarrer Thomas Maurer hat Armenien schon 2018 bereist. Eine Männerreise im Jahr 2020 inklusive eines Besuchs der Exklave Bergkarabach musste wegen der Pandemie abgesagt werden. So waren alle gespannt, wie sich das Land verändert hat. Da Thomas Maurer über das Hilfswerk Little Bridge und Alfred Künzler, Arzt aus Lü in der Val Müstair, über den Christlichen Hilfsbund seit Jahren auch Hilfsprojekte im Orient unterstützen, war es gut, die Arbeit mit den Partnern dort anzuschauen.
Die Reise führte in die lebendige Hauptstadt Jerewan. Einquartiert in komfortable Hotels und verwöhnt mit der exquisiten Küche dieser Kaukasusrepublik konnte die Reisegruppe das Land erkunden. In der Hauptstadt wartete das Genoziddenkmal, das an die entsetzliche Vernichtung von 1, 5 Millionen Armeniern 1915 erinnert. Deshalb sind die Grenzen Armeniens zur Türkei und auch zu Aserbeidschan weiterhin geschlossen.
Das Handschriftenmuseum zeigte die Entstehung des 40-teiligen Alphabets und der eigenen Schrift. Eine Degustation der Brandyfirma zeigte die exquisite Produktion, auf Wunsch der Gruppe abends und nicht am frühen Morgen. Abends beim Lichtermeer am Platz der Republik sitzend war zu spüren, wie viele Menschen die relative Freiheit in Armenien suchen. Der Zuzug von 120 000 Flüchtlingen, vertrieben über Nacht aus Arzach und von 200 000 Russen wegen des Ukraine-Krieges verdoppelte die Mietzinsen und trieb die Teuerung an.
Frömmigkeit wird gelebt
Ein Austausch mit Maria Goris von Little Bridge zeigt die Not auf, aber auch, wie konkret geholfen wird mit Landwirtschaftsprojekten, Suppenküchen und Nähe für Einsame und Alte. Am Sonntag besucht die Reisegruppe Etschmiadsin, Hauptort der armenisch-apostolischen Kirche, der die meisten Armenier angehören. Die Kirche war überfüllt während Stunden, der Kathedralchor sang wunderbar, die Frömmigkeit wird gelebt. Man spürt auch Trauer über die Vertreibung aus Karabach, armenisches Kernland seit jeher und die vielen Toten aufgrund der Kämpfe.
Ein Besuch des Klosters Chor Virap stand an. Hier entstand um 301 die erste Kirche durch Gregor, den Erleuchter. Das Kloster steht an der Grenze zur Türkei. Endlich sahen die Engadinerinnen und Engadiner ein weiteres Heiligtum, den kleinen und grossen Ararat in seiner ganzen Schönheit und Grösse. Leider verbietet die Türkei Armeniern den Zugang zu ihrem verehrten Berg. Tief bewegt fuhr die Reisegruppe weiter in den Osten. In Sisian besuchte sie die evangelische Kirche. Sie kommt gerade über die Runden, auch mit Unterstützung aus dem Ausland. Auch dort: der Gemeindesaal mit dem Gottesdienst platzt aus allen Nähten, die Jugendarbeit blüht, das Interesse ist gross.
Mit Schoggi und Sackmesser
Da es in Goris kein Nachtleben gibt, schliefen die Reisenden gut und waren bereit, früh mit der Schweizer Gondel zum Kloster Tatev zu fahren. Ein grandioser Rundblick. Hier lebten Tausende von Mönchen, und Bildung wurde grossgeschrieben. Nach dem Staatsatheismus der Sowjetunion, der die Kirchen schloss oder zu Turnhallen umfunktionierte, wurden die Kirchen geöffnet, sie leben – so wurde auch in Tatev wieder eine Mönchsgemeinschaft gegründet. Der Abt spendete den Reisenden den Segen, und er erhielt Schoggi und ein Sackmesser.
Am grossen Süsswassersee Sewan besuchte die Engadiner Gruppe den grössten Friedhof Armeniens mit tausenden von Kreuz-Erinnerungssteinen. Die Besucherinnen und Besucher lernten die Ikonographie dieser Steine kennen, wie auch die Architektur der armenischen Kirchen mit Vorhof, Ummauerung und wenig Ikonen, die nicht so sehr verehrt werden wie in den byzantinisch-orientalischen Kirchen.
Gastfreundschaft und Herzlichkeit
In einem Dorf wird exquisiter Käse hergestellt, das wurde uns gezeigt und degustiert. Als Schweizer sagen wir : Hut ab! Ein Besuch bei den Molokanen schloss sich an. Dies ist eine religiöse Minderheit, die auf die Altgläubigen in Russland zurückgeht. Sie siedelten hier und pflegen ihre weltabgewandten Bräuche. Wir wurden herzlich mit Tee aus dem Samowar und Gebäck empfangen. Wir staunten, wie diese Minderheit wie die ebenfalls präsenten Jesiden ihre Traditionen festhalten, also kein Alkohol, keine Mischehen – das Handy allerdings gibt es, um mit den Verwandten in Übersee zu kommunizieren. Aha.
Chormusik mit Gänsehaut-Effekt
Ebenfalls besuchte die Reisegruppe im grünen Norden den Kurort Dilijan, den hellenistischen Tempel in Garni und als Höhepunkt: ein eigens für die Gäste aus der Schweiz angereister Chor mit Berufssängerinnen, welche die Akustik des Höhlenklosters Geghard mit Gänsehaut erfahren liess. Zum Schluss konnte die Reisegruppe die Stadt Jerewan erkunden, einige fuhren weiter in die politisch aufgewühlte Hauptstadt Georgiens, Tiflis. Am Schluss wurden sie von den Gastgebern mit grosser Herzlichkeit und Grosszügigkeit verabschiedet.
Für die Teilnehmenden dieser Reise ist klar: «Wir kommen sicher wieder, planen auf 2028». Vorher geht’s nach Siebenbürgen und Japan. «Armenien – wir verneigen uns vor diesem gebeuteltem Volk, vor seiner Kraft, seiner Herzlichkeit, seinen Naturschönheiten und seiner Gastfreundschaft», schreibt Pfarrer Thomas Maurer. «Es setzt viel Hoffnungen in den Westen, wir sollten sie nicht im Stich lassen».
Pfarrer Thomas Maurer, Celerina und Pontresina, refurmo und seine Reisegruppe
Pfarrer Thomas Maurer, Celerina und Pontresina, refurmo und seine Reisegruppe
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