1863 wurde im Kanton Glarus die Grünhornhütte gebaut – die erste SAC-Hütte der Schweiz. Ihr Zweck war klar: Bergsteigerinnen und Bergsteigern Schutz zu bieten. Diese Funktion erfüllt eine SAC-Hütte auch heute noch – doch andere Bedürfnisse sind in den Vordergrund gerückt. Viele der alpinen Unterkünfte haben ihre ursprüngliche Rolle als Ausgangspunkt für Hochtouren – nicht zuletzt aufgrund des Klimawandels – weitgehend verloren.
Stattdessen stehen heute Aspekte wie Komfort, Privatsphäre, warmes Wasser und eine abwechslungsreiche Küche im Zentrum. Eine Übernachtung in den Bergen soll ein Erlebnis sein – möglichst naturnah, aber nicht mehr spartanisch.
Das spiegelt sich auch in der Architektur wider: Die klassisch gemauerten Hütten mit schmalen Fensteröffnungen und bunten Fensterläden verschwinden allmählich aus dem Landschaftsbild – oder bleiben als nostalgische Relikte neben An- und Ergänzungsbauten aus verschiedensten Materialien und ausgestattet mit moderner Technologie stehen. Für die einen Mahnmale der «guten alten Zeit», für die anderen hippe Sujets für Social Media.
Dass sich die Architektur dem Wandel der Gästebedürfnisse anpassen muss, ist unbestritten. Das äussere Erscheinungsbild – sei es provokant inszeniert oder zurückhaltend integriert – bleibt Geschmackssache und wird auch beim geplanten Neubau der Chamanna da Boval für Diskussionen sorgen.
Entscheidender aber ist, was im Inneren passiert. Die Organisation der Abläufe – für das Hüttenteam ebenso wie für die Gäste – ist zentral. Wer den Jurybericht liest, erkennt: In dieser Hinsicht überzeugt das Siegerprojekt besonders.
Ebenso wichtig ist die Art und Weise, wie ein Gebäude in der hochalpinen, sensiblen Landschaft verankert ist und wie ökologisch es gebaut wird: mit wiederverwendeten Materialien und möglichst geringem Helikoptereinsatz. Auch hier erfüllt das Projekt wichtige Anforderungen.
Ob es letztlich wie geplant realisiert werden kann, hängt auch von den finanziellen Möglichkeiten ab. Der Entscheid für dieses Projekt ist ein mutiger. Zu hoffen ist, dass sich dieser Mut auszahlt – in Form einer Hütte, die ein nachhaltiges und zeitgemässes touristisches Angebot schafft. In einer Region, deren Bedeutung untrennbar mit der sie umgebenden Bergwelt verbunden ist.
Autor: Reto Stifel
Autor: Reto Stifel
r.stifel@engadinerpost.ch
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