Seit 29 Jahren erscheint die «Engadiner Post/Posta Ladina» zweisprachig, auf Deutsch und auf Romanisch. Waren zu Beginn zwei fixe romanische Seiten in der deutschen Ausgabe integriert, hat sich das Romanische mit der Zeit in der gesamten Zeitung ausgebreitet. So finden heute deutsche und romanische amtliche Publikationen oder Todesan­zeigen auf der gleichen Seite Platz und werden nicht voneinander getrennt. Zweisprachig halt, genauso wie das Leben im Engadin. 

So wie die Leserinnen und Leser der EP/PL überall in der Zeitung mit der romanischen Sprache in Kontakt kommen, steigt auch der Wunsch der deutschsprachigen Abonnentinnen und Abonnenten, die romanischen Texte lesen und verstehen zu können. Diesen Wunsch hat das Medienhaus Gammeter Media AG ernst genommen. Seit einigen Jahren veröffentlicht die Redaktion der «Engadiner Post/Post Ladina» regelmässig unter dem Motto der Zweisprachigkeit kurze deutsche Zusammenfassungen der romanischen Beiträge. 

Übersetzungen mit «Supertext»
Mithilfe von Künstlicher Intelligenz möchte das Medienhaus nun einen Schritt weitergehen und hat sich intensiv mit den Übersetzungsmöglichkeiten für die romanische Sprache auseinandergesetzt. Auch bei anderen Medienhäuser in Graubünden ist der Wunsch nach einem romanischen Übersetzungstool als Arbeitsinstrument gewachsen. So hat RTR bereits vor einigen Jahren das Projekt «Supertext» angestossen. Dieser Übersetzungsdienst ist aber hauptsächlich für Rumantsch Grischun entwickelt worden und steht heute allen Nutzern online zur Verfügung. Übersetzungen aus den Idiomen wie zum Beispiel Putèr oder Vallader funktionieren ebenfalls mit diesem Programm, sind aber fehlerhaft bei idiomatischen Eigenheiten. 

Unabhängig von diesen sprachli­chen Einschränkungen hat sich die Redaktion der EP/PL zusammen mit der medienhausinternen Webentwicklung zum Ziel gesetzt, eine dennoch nutzerfreundliche Applikation für ihre Abonnentinnen und Abonnenten zu entwickeln – und dies ist auch gelungen. 

Für ein integriertes Leseerlebnis
Für Martina Gammeter, Verlegerin der «Engadiner Post/Posta Ladina», ist dieses neue Angebot von grosser Bedeutung: «Leserbefragungen und Rückmeldungen der Leserschaft zeigen immer wieder auf, dass es ein Bedürfnis ist, die romanischen Texte auch für deutschsprachige Leserinnen und Leser zugänglich zu machen. Deshalb haben wir uns entschieden, unseren Abonnentinnen und Abonnenten diesen Service als möglichst integriertes Leseerlebnis anzubieten.» Mittels KI werden pro Ausgabe einige ausgewählte romanische Texte schnell und kostengünstig über das Tool «Supertext» übersetzt. Diese werden dann vom Redaktionsteam auf grundsätzliche Sprachfehler redigiert und freigeschaltet. Weil das Übersetzungsprogramm auf Rumantsch Grischun basiert, übernimmt die Redaktion weiterhin keine Verantwortung für die einwandfreie Richtigkeit der Übersetzungen. 

Die Übersetzungen stehen ausschliesslich online zur Verfügung. Die Abonnentinnen und Abonnenten können sich auf engadinerpost.ch einloggen, die romanischen Artikel mit Übersetzungssymbol auswählen und sich die übersetzten deutschen Texte anzeigen lassen. «In der gedruckten Zeitung halten wir an der `eingleisigen Zweisprachigkeit` fest», sagt Martina Gammeter. Die Texte werden also nicht doppelt in beiden Sprachen publiziert. Damit geht das Verlagshaus weiterhin davon aus, dass die Inhalte von einer Mehrheit der Leserinnen und Lesern in der Originalsprache gelesen werden und die beiden Sprachen – wie im regionalen Alltag auch – nebeneinander bestehen können. «Im digitalen Raum, in welchem wir die übersetzten Inhalte anbieten, bean­spruchen wir mit der zusätzlichen Übersetzung weder teures Zeitungspapier noch wirken die übersetzten Inhalte störend, weil sie ja nur dann erscheinen, wenn die Leserinnen und Lesern sie abfragen», so die Geschäftsführerin der Gammeter Media AG. 

Übersetzungen für andere Sprachen
Martina Gammeter sieht auch für andere Sprachangebote Potenzial: «Ich kann mir gut vorstellen, dank KI-generierten Übersetzungen unsere Inhalte inskünftig auch anderen Sprachgruppierungen zugänglicher zu machen.» Sie ist überzeugt, dass wenn die Artikel, mit dem passenden Abonnement, auch auf Italienisch oder Portugiesisch gelesen werden könnten, die italienischsprachigen Zweitheimischen oder auch portugiesisch-sprachige Familien noch enger in die mediale Kommunikation und das gesellschaftliche Leben eingebunden würden. «Dies wäre sicherlich ein Gewinn für die politische Kultur in der Region», so die Verlegerin der EP/PL. 

Eine Weiterentwicklung der maschinellen Übersetzungsfähigkeiten in den Idiomen bleibt hingegen das Ziel und ist Gegenstand eines nun auch von der Lia Rumantscha in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich lancierten Projekts. Dadurch könnte der Aufwand für menschliche manuelle Redigierarbeit an den übersetzten Texten weiter reduziert werden. Damit das Übersetzungsprogramm in allen Idiomen entwickelt werden kann, ist vorgesehen, dass die «Engadiner Post/Posta Ladina» ihre Archivdaten für das sogenannte «Machine Learning» zur Verfügung stellt. Wann der Übersetzungsdienst für die Idiome Putèr und Vallader verfügbar sein soll, ist noch offen. Die Verlegerin Martin Gammeter hofft, dass dies spätestens bis zum 30-jährigen Jubiläum der gelebten Zweisprachigkeit der «Engadiner Post/Posta Ladina» im Dezember 2026 der Fall sein wird. 

Text: Nicolo Bass

Abonnentinnen und Abonnenten der EP/PL finden die Übersetzungen ausgewählter romanischen Texte auf www.engadinerpost.ch