Palliative Care ist die Bezeichnung für die Betreuung und Begleitung von Menschen, die von einer chronischen, fortschreitenden und unheilbaren Krankheit betroffen sind. Eine Heilung gibt es für diese betroffenen Personen nicht mehr. «Unser Ziel ist, die Lebensqualität für die Zeit, die noch bleibt, zu verbessern», erklärt Annina Buchli. Gemeinsam mit Denise Romann ist sie für den Palliativen Brückendienst Graubünden im Engadin tätig. Zum regionalen Einzugsgebiet gehören auch Valposchiavo, Bregaglia, Val Müstair und Samnaun.
Lebensqualität wird sehr individuell wahrgenommen. «Wenn belastende Symptome wie Schmerzen vorhanden sind, geht es natürlich primär darum, diese mit Medikamenten oder anderen pflegerischen Massnahmen zu lindern», erklärt Annina Buchli. Nebst den körperlichen Symptomen können auch psychische Belastungen oder unerledigte Angelegenheiten die Lebensqualität beeinträchtigen. «Für viele bedeutet Lebensqualität aber vor allem, daheim bei den Liebsten sein zu dürfen», erläutert sie. Dazu gehören Partner und Familie ebenso wie Haustiere.
Steigende Nachfrage
Um die Lebensqualität von schwerkranken oder sterbenden Menschen aufrechtzuerhalten, arbeiten verschiedene Dienste zusammen, darunter Spitexorganisationen, die Hausarztpraxis, Pflegeinstitution, aber auch die Sozialberatung oder eine Seelsorge. «Wir wissen, welche Angebote vorhanden sind, und versuchen herauszufinden, was für die betroffene Person unterstützend wäre», erklärt die spezialisierte Pflegefachfrau aus Bever.
Der Palliative Brückendienst handelt im Auftrag des Kantons. Die Kosten werden zwischen Kanton, Krankenkasse und Gemeinde aufgeteilt. Als regionale Organisation hat es den Brückendienst bereits gegeben, auch im Engadin. Aus den regionalen Teams entstand nun ein Team für den ganzen Kanton mit Verantwortlichen für die verschiedenen Regionen, angestellt bei Palliative Graubünden.
Spezialisiertes Know-how
Da die Nachfrage kontinuierlich steigt und die Erkrankungen komplexer werden, wurde der Palliative Brückendienst neu organisiert und professionalisiert. Im Hintergrund wirken spezialisierte Palliativ-Medizinerinnen und -Mediziner. Die Grundversorgung in der Palliative Care läuft über Spitex, Pflegeheime, Hausärztinnen und Hausärzte sowie Spitäler. «Wir sind zusätzlich ausgebildete Pflegefachpersonen und bringen das spezialisierte Know-how mit», informiert Annina Buchli.
So seien sie beispielsweise da, wenn jemand vom Spital heimkommt. Sie instruieren die erkrankten Menschen und deren Betreuungspersonen, wie auch Pflegefachpersonen aus der Grundversorgung. Oft geht es um die Behandlung von belastenden Symptomen, wie zum Beispiel Schmerzen, Atemnot oder Übelkeit. Dazu kann eine Spritzenpumpe zum Einsatz kommen, über die kontinuierlich Medikamente abgegeben werden. Die Handhabung dieser Pumpe will gelernt sein.
Unterstützung für Angehörige
Es brauche ein gutes Netzwerk, damit Palliative Care in den eigenen vier Wänden funktioniert. «Eine wichtige Aufgabe von uns ist, das persönliche Netzwerk zu ermutigen und den Angehörigen zur Seite zu stehen», sagt sie. Der Palliative Brückendienst ist 24 Stunden am Tag erreichbar, die spezialisierten Pflegefachfrauen haben Einblick in eine gemeinsame Dokumentation der Person, sie kennen somit auch die Medikation.
Die Unterstützung der Angehörigen spielt eine zentrale Rolle. «Ein Anliegen ist, dass die Angehörigen eine so belastende Situation meistern können», erklärt Annina Buchli. Um eine gewisse Sicherheit zu vermitteln, werden im Voraus Szenarien besprochen, die vorkommen könnten. In Notfallsituationen begleiten die spezialisierten Pflegefachfrauen Angehörige und das Betreuungsteam. Und sie stehen beratend zur Seite, wenn neue Entscheidungen zu treffen sind.
Berührend und bereichernd
Die Aufgaben des Palliativen Brückendienstes lassen sich mit dem Begriff SENS (englisch für Sinn) zusammenfassen: S steht für Symptomkontrolle, E für Entscheidungsfindungen, N steht für Netzwerk und S steht für Support. «Mit diesem Konzept können wir die Ruhe einbringen, die es für einen guten Prozess braucht», sagt Annina Buchli. Sie möchte mit ihrer Arbeit die Angst vor dem Sterbeprozess nehmen. Ihrer Erfahrung nach nimmt das Sterben daheim meistens einen natürlichen und unkomplizierten Verlauf. Die Betroffenen essen und trinken immer weniger und schlafen irgendwann ein. «In der Gesellschaft haben wir keine Erfahrung mehr mit dem Sterben, wir delegieren es an Institutionen», erklärt sie. Daher möchte sie ermutigen, diesen Prozess zu begleiten, sofern dies möglich ist, und dabei Hilfe anzunehmen. «In dieser Situation ist Hilfe annehmen eine Stärke, keine Schwäche.»
Die aktuellen Stellenprozente beim Palliativen Brückendienst Graubünden wurden wegen des grossen Bedarfs bereits dieses Jahr aufgestockt. Pflegefachpersonen lernen den Umgang mit dem Tod. In der Palliative Care lernen sie, mit schwierigen Situationen umzugehen und dennoch selbst gesund zu bleiben. «Ganz wichtig ist der Austausch im Team», sagt Annina Buchli. Sie bezeichnet ihre Arbeit als berührend. «Oftmals ist diese Aufgabe auch bereichernd, es entstehen schöne Beziehungen und man bekommt viel zurück.»
Positive Erfahrungen schaffen
Eine spezialisierte Organisation weiterzuentwickeln, ist herausfordernd. Der Auftrag des Kantons seit 2013 lautet: Alle Menschen in Graubünden sollen einen Zugang zu spezialisierter Palliative Care erhalten. Wiederkehrende Aufgaben sind dabei Kontakte knüpfen, Öffentlichkeitsarbeit leisten und bekannt werden. «Erfahrungsgemäss spricht sich unser Angebot herum, wenn zum Beispiel eine Familie oder die Spitexmitarbeiterinnen positive Erfahrungen mit uns gemacht haben», erzählt Annina Buchli. Sie betont, dass der Palliative Brückendienst kein Konkurrenzangebot sei, sondern eine Unterstützung.
Weitere Informationen: www.palliative-gr.ch




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